Frage: Wie helfen die Vereinten Nationen vor Ort?
Schmidt: Südsudan ist die größte UN-Mission (UNMISS) in der Welt mit ca. 12.000 Blauhelmen. Es ist ein Staat im Staat, der von der Regierung vielleicht auch als Besatzungsmacht wahrgenommen wird. Im Allgemeinen ist die Bevölkerung aber sehr dankbar. Es gibt mittlerweile über 2,4 Millionen Flüchtlinge, von denen mehr als 200.000 in UNO-Lagern innerhalb des Südsudans versorgt werden. Es gibt noch mehr Flüchtlingscamps für Südsudanesen in den Nachbarländern.
Die Lager sind dort notwendig, wo Völker gemischt leben und die Minderheit vor der Mehrheit geschützt werden muss. So lebt z. B. fast die gesamte Nuer-Bevölkerung der Hauptstadt Juba in drei Lagern, weil dort die Dinka die Kontrolle haben. Anfangs wurden Flüchtlinge gemischt in Camps untergebracht, weil man die ethnische Dimension des Konfliktes nicht wahrhaben wollte. Da sich die Leute aber auch in den UNO-Lagern bekämpft und umgebracht haben, gibt es jetzt nur noch Flüchtlingscamps bzw. Sektoren innerhalb der Camps, die nach Volksgruppen getrennt sind.
Nach Schätzungen sind 2016 über fünf Millionen Menschen von Hunger bedroht, weil sie durch den Krieg keine Felder bestellen können. Das Welternährungsprogramm (WFP) verteilt regelmäßig Nahrungsmittel und kooperiert mit Partnerorganisationen, um Familien zu registrieren. Im schulischen, medizinischen und sanitären Bereich arbeiten die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF auch mit lokalen Partnern zusammen.
Frage: Wie bewerten Sie die UN-Mission im Südsudan?
Schmidt: Das UNO-Mandat beinhaltet, die Sicherheit von Menschen in Flüchtlingslagern zu garantieren. Doch immer wieder greifen regierungsnahe Soldatenverbände und Kämpfer der Opposition die Lager der Vereinten Nationen an, ermorden und verwunden Flüchtlinge und sogar Blauhelm-Soldaten. Wenn es hart auf hart kommt, ist die UNO nicht ausgerüstet, Zivilisten zu schützen.
Zudem sind Einsätze der Vereinten Nationen unverhältnismäßig teuer, weil Ausgaben für Gehälter und Strukturen enorm hoch sind. Über die Hälfte der Gelder wird nur dafür verwendet, den Apparat am Laufen zu halten.Ein weiteres Problem betrifft den Bildungsbereich. Da es in einer Krisensituation nur humanitäre Hilfe gibt, sind Projekte in der Regel auf sechs Monate begrenzt. Auf diese Weise lässt sich nicht einmal ein volles Schuljahr verlässlich planen. Was unsere Region braucht, ist eine mittelfristige Vision von fünf bis zehn Jahren für die Schulen. Die kurze Aufmerksamkeitsspanne ist nicht nachhaltig.
Die UNO ist auch naiv, wenn es um die Verwendung von Nahrungsmitteln geht. Es wird behauptet, dass alle Lebensmittel umsonst und direkt an die Bevölkerung verteilt werden. Wie andere Waren gehen Nahrungsspenden aber sofort in den Wirtschaftskreislauf. Überall kann man original-verpackte Nahrung mit dem Aufdruck „do not sell“ kaufen. In einer Ortschaft hat das Militär alles konfisziert, nachdem die UNO-Beobachter abgeflogen waren. Die Bevölkerung war trotzdem froh, denn wenigstens haben die Soldaten sich nicht mehr den Familien zum Essen aufgezwängt, sondern hatten jetzt ihre eigene Versorgung. Es ist leider so, dass die Nahrungsspenden der UNO auf diese Weise den Krieg verlängern. Aber vermutlich wäre die Alternative noch unmenschlicher.
Die Beispiele in diesem Absatz sind nicht als Kritik gemeint, sondern eine Aufforderung, die Folgen von UNO-Hilfe öffentlich zu diskutieren.
Das Interview führte Leonardo Da Riz.
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