
In Chile: Illegale Adoptionen während der Pinochet-Diktatur vor Gericht
Die Justiz in dem südamerikanischen Land Chile wagt sich an ein besonders sensibles Thema: den Handel mit Kindern während der Militärdiktatur – zum Zwecke der Adoption ins Ausland.
Aktualisiert: 13.06.2025
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Rechte wie linke Diktaturen haben Kindesentzug und die Entführung von Babys immer wieder als Mittel gegen Oppositionelle eingesetzt. Weltweit beachtet wird die Suche von Menschenrechtsorganisationen wie in Argentinien. Dort wird versucht, Babys zu identifizieren, die während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 oppositionellen Müttern geraubt und an regimetreue Familien vergeben wurden. Schätzungen gehen von bis zu 500 betroffenen Kindern aus.
Der sozialistische SED-Staat griff zu ähnlich unmenschlichen Methoden wie die argentinischen Generäle: Bis zum Fall der Mauer 1989 wurden hunderten Frauen und Männern in der damaligen DDR die Kinder weggenommen, weil ihre Eltern als „Staatsfeinde“ galten. Ähnlich wie in Argentinien suchen bis heute viele Betroffene immer noch nach ihren verschwundenen Kindern.
In diesen Tagen gerät auch das Vorgehen während der Diktatur von General Augusto Pinochet (1973-1990) in Chile in den Fokus der Öffentlichkeit. Schätzungen gehen davon aus, dass während seiner Herrschaft tausende Babys und Kinder von ihren Familien getrennt und zur Adoption ins Ausland freigegeben wurden. Viele wurden unter Druck bettelarmen Familien abgekauft, andere offenbar entzogen. Ein lukratives Geschäft, in das Behörden, Militärs und sogar katholische Priester involviert gewesen sein sollen.
Bislang ist vieles unbekannt. Licht ins Dunkel soll nun ein Prozess bringen, nachdem die chilenische Justiz erstmals fünf Personen wegen illegaler Entführung von Minderjährigen während der Pinochet-Diktatur angeklagt hat. Bislang konnte kein Richter die Existenz eines Netzwerks illegaler Adoptionen nachweisen - nun soll dies erstmals gelungen sein.
Richter Alejandro Aguilar Brevis aus der Hauptstadt Santiago de Chile habe Untersuchungshaft für fünf Personen angeordnet, berichteten chilenische Medien vor wenigen Tagen. Vorgeworfen werde ihnen „illegale Vereinigung, Entführung von Minderjährigen und vorsätzliche Rechtsbeugung bei der illegalen Adoption von zwei Minderjährigen aus der Gemeinde San Fernando, die an ausländische Ehepaare übergeben wurden“.
Den Medienberichten zufolge hat der Richter genügend Beweise, um zu belegen, dass in den 1980er Jahren in der Stadt San Fernando ein Netzwerk aus Anwälten, Priestern der katholischen Kirche, Mitgliedern sozialer Organisationen, Gesundheitsbeamten und einer Richterin existierte, „um Minderjährige, deren Mütter aus armen Verhältnissen stammten, aufzuspüren.“ Gegen Zahlung von Geldbeträgen in Höhe von bis zu 50.000 Dollar seien die Kinder dann den Familien „abgekauft“ und ins Ausland weiterverkauft worden. Da die Hauptbeschuldigte heute in Israel leben soll, beantragte der Richter beim Obersten Gerichtshof die Auslieferung der Tatverdächtigen.
Etwa 20.000 chilenische Minderjährige sollen während des Regimes von ausländischen Familien adoptiert worden sein - nur 1.000 seien wieder zu ihren Familien zurückgekehrt. Zuletzt startete die Regierung des amtierenden Präsidenten Gabriel Boric ein Pilotprojekt, um Opfer illegaler Adoptionen ausfindig zu machen und die während des Pinochet-Regimes begangenen Taten aufzuklären. Laut einem Bericht des Senders CNN gab es in Chile nach Schätzungen der Stiftung „Madres e hijos del silencio“ (Mütter und Kinder der Stille) sogar mindestens 50.000 Kinder, die unrechtmäßig zur Adoption freigegeben wurden.
In Chile wurden während der Pinochet-Diktatur nach offiziellen Angaben rund 33.000 Menschen aus politischen Gründen eingesperrt und gefoltert. Rund 3.200 Menschen starben an Folgen staatlicher Gewalt; 1.192 Gefangene verschwanden spurlos.

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