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Schleppende Wiedergutmachung in Chile

Deutschland zahlt zwei Millionen an Opfer der Colonia Dignidad

In der von einem Deutschen gegründeten Sekte Colonia Dignidad in Chile wurden Menschen gefoltert und missbraucht. Deutschland unterstützt die Opfer – zwei Millionen Euro wurden in den vergangenen Jahren gezahlt.

Erstellt: 13.03.2025
Aktualisiert: 11.03.2025
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Rund zwei Millionen Euro hat die Bundesrepublik in der vergangenen Wahlperiode an Opfer der deutschen Sekte Colonia Dignidad in Chile ausgezahlt. Das geht aus einem Bericht der Gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesregierung zur Aufarbeitung der Verbrechen der Colonia Dignidad hervor, wie der „Spiegel“ (vergangener Donnerstag) berichtet.

Insgesamt seien 398 Anträge von Betroffenen bewilligt und 49 abgelehnt worden. Teilweise sei es schwierig, Opfer und Täter klar voneinander abzugrenzen, da manche Opfer sich später selbst schuldig gemacht hätten, heißt es. Neu beschlossen wurde 2023 ein Fond „Pflege und Alter“, der auch jenen ehemaligen Colonia-Bewohnern helfen soll, die nicht mehr auf dem Gelände 400 Kilometer südlich von Santiago de Chile leben. Es sei damit zu rechnen, dass in den kommenden Jahren „zahlreiche Anträge eingehen werden“.

Die Einrichtung einer Gedenkstätte und eines Dokumentationszentrums steht hingegen noch am Anfang. Die Kommission begrüßt, dass Chiles Staatspräsident Gabriel Boric dafür die Enteignung einiger Gebäude auf dem ehemaligen Sektengelände angeschoben hat.

Am Mittwoch hatte die Bundesregierung die Pläne des chilenischen Justizministers Jaime Gajardo zur teilweisen Enteignung der ehemaligen Sektensiedlung Colonia Dignidad begrüßt. Das Ziel, dort eine nationale Gedenkstätte für die Opfer zu errichten, sei wichtig, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Die Bundesregierung setze sich für die schnellstmögliche Errichtung ein.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte in der vergangenen Woche Chile besucht. Dabei hatte er sich auch mit Betroffenen und Fachleuten zu einem Austausch zum Thema Colonia Dignidad getroffen. Steinmeier hatte 2016 als damaliger Außenminister erstmals eine historische Schuld des Auswärtigen Amtes in Bezug auf die Verbrechen in der Siedlung eingestanden. Diplomaten hätten „bestenfalls weggeschaut“.

Die Colonia Dignidad wurde Anfang der 1960er Jahre von dem gebürtigen Bonner Paul Schäfer (1921-2010) in Chile gegründet. Auf der Anlage rund 350 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago versprach der aus einem freikirchlichen Umfeld stammende Laienprediger seinen Anhängern ein „urchristliches Leben im Gelobten Land“. Tatsächlich führte Schäfer ein diktatorisches Regime und schottete die Sektenmitglieder von der Außenwelt ab.

Zu den begangenen Verbrechen zählten unter anderem Freiheitsberaubung, Zwangsarbeit, Sklaverei, Kindesmissbrauch, Körperverletzung, Folter und Verabreichung von Psychopharmaka ohne medizinische Indikation. Nachdem sich 1973 Augusto Pinochet in Chile an die Macht geputscht hatte, wurden in der bis 1990 dauernden Militärdiktatur in der Colonia Dignidad Hunderte Regimegegner vom chilenischen Geheimdienst gefoltert und Dutzende ermordet.

2019 hatte sich eine gemischte Kommission aus Parlamentariern und Vertretern der Bundesregierung auf ein Hilfskonzept für die ehemaligen Bewohner der Kolonie verständigt. Es sieht neben einem Fonds für bedürftige Betroffene, die keinen Zugang zum deutschen Sozialsystem haben, finanzielle Individualleistungen vor.

KNA

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