
Streit mit Serbien überschattet Parlamentswahl im Kosovo
Pristina ‐ Abwanderung der klügsten Köpfe, schwächelnde Wirtschaft, Armut: Die Probleme, die Kosovos nächste Regierung anpacken muss, sind vielfältig. Trotzdem überschattete ein ganz anderes Thema den Parlamentswahlkampf.
Aktualisiert: 31.01.2025
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Am 9. Februar soll im Kosovo ein neues Parlament gewählt werden. Doch in den vergangenen Monaten haben die Beziehungen zwischen Belgrad (Serbien) und Pristina (Kosovo) einen neuerlichen Tiefpunkt erreicht – nachdem Kosovos Regierung serbische Postämter, Banken und Verwaltungen geschlossen hatte. Für viele Angehörige der serbischen Minderheit im Kosovo stellt die Verbindung nach Belgrad die einzige Lebensgrundlage dar. Doch der Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti sind die „illegalen Parallelstrukturen“ ein Dorn im Auge; sie untergrüben Kosovos staatliche Souveränität.
Die ehemalige serbische Provinz hatte nach dem blutigen Kosovo-Krieg 1998/99 schließlich 2008 ihre Unabhängigkeit ausgerufen. Doch Serbien und auch einige EU-Staaten erkennen den Kosovo bis heute nicht als Staat an. „Viele Menschen haben ihre Jobs verloren – und die Frage ist, wie lange Serbien ihnen noch Gehälter zahlt. Schlimmer kann es nicht werden“, zitiert Radio Free Europe einen Serben im Nordkosovo.
Die Zwangsschließung serbischer Behörden hatte auch Auswirkungen auf den Dialog, den Brüssel zwischen Serbien und Kosovo vermittelt. Vom Europäischen Auswärtigen Dienst hieß es dazu: Die jüngsten Maßnahmen „mitten im Wahlkampf“ verstießen gegen Pristinas Verpflichtungen gegenüber der EU im Rahmen des Normalisierungsprozesses. Ihre Sanktionen gegen den Kosovo will die EU erst fallenlassen, wenn es zu einer Annäherung mit Serbien kommt.
Derzeit scheinen die Fronten zu verhärtet. Erst vor wenigen Monaten beging der Kosovo den 25. Jahrestag der Nato-Intervention von 1999, die den Krieg zwischen der Kosovarischen Befreiungsarmee (UCK) und den jugoslawischen Truppen beendet hatte. Soldaten der Friedensmission KFOR sind bis heute hier stationiert. Immer noch gelten mehr als 1.600 Kriegsopfer als vermisst. „Die Angehörigen leben mit dem Schmerz; viele stehen dadurch auch vor wirtschaftlichen Herausforderungen“, berichtet Agim Gashi, Missionschef des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Pristina.
Enorme Herausforderungen
Erschwerend hinzu kommt Serbiens nationalistischer Einfluss in der Region. So verfüge Belgrad in Nachbarländern über Verbündete, die bereit seien, auf Geheiß von Präsident Aleksandar Vucic „Chaos zu schüren“, warnt Nemanja Todorovic Stiplija, Chefredakteur des Portals European Western Balkans (EWB). Er verweist auf die Politik Montenegros, Bosnien-Herzegowinas und Nordmazedoniens. Im Kosovo unterstützt Serbiens Regierung die Partei Srpska Lista, die wichtigste Partei der serbischen Minderheit.
Innenpolitisch könnte die Parlamentswahl eine kleine Zeitenwende bringen. Denn Regierungschef Kurti muss um seine Wiederwahl fürchten. 2021 hatte seine Partei Levizja Vetevendosje („Bewegung Selbstbestimmung“) einen Erdrutschsieg eingefahren – und konnte mit etwas mehr als 50 Prozent der Stimmen allein eine Regierung bilden. Ob das der ehemaligen Bürgerbewegung erneut gelingt, ist ungewiss. Sie könnte auf eine Koalition mit einer der beiden Urgesteine in Kosovos Politik, der LDK oder PDK, angewiesen sein. Alternativ bliebe Kurti der Wechsel in die Opposition.
Wer auch immer in Pristina künftig das Sagen hat, fest steht: Die Herausforderungen für die neue Regierung sind enorm. Im Kosovo lebt die jüngste Bevölkerung Europas. Mehr als die Hälfte der Kosovaren sind unter 30 Jahre alt, ein Drittel jünger als 18. Laut Experten fehlen Jobchancen; das Ausbildungssystem ist veraltet.
Fast jeder fünfte Kosovare lebt von weniger als fünf US-Dollar pro Tag. Wirtschaftlich bleibt das Land auf die Überweisungen von Auslands-Kosovaren angewiesen. Von ihnen gibt es etwa eine Million. So verwunderte kaum, dass Regierungschef Kurti zuletzt nach dem Weltwirtschaftsforum in Davos noch einen Abstecher nach Zürich machte, um vor Tausenden Auslands-Kosovaren um Stimmen zu werben.
Markus Schönherr (KNA)

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