Ein Lastträger trägt einen Sack mit Chilischoten auf seinem Rücken, auf dem Großmarkt in Caracas
Adveniat-Experte zu den Wahlen in Venezuela

„Wer das Wort Demokratie in den Mund nimmt, wird mundtot gemacht.“

Essen ‐ Am kommenden Sonntag finden in Venezuela Präsidentschaftswahlen statt. Das Ergebnis gilt als ausgemacht: Die aussichtsreichsten Oppositionskandidaten hat das Maduro-Regime von vorneherein ausgeschlossen.

Erstellt: 21.07.2024
Aktualisiert: 18.07.2024
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In einer Woche wird in Venezuela gewählt. Thomas Wieland, Leiter des Bereichs Ausland beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat, schaut ernüchtert auf die anstehenden Abstimmungen in dem südamerikanischen Land. Er berichtet von einer nahezu umfassenden Selbstzensur venezolanischer Journalisten aus Angst vor Repressionen und Verhaftungen im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen am 28. Juli 2024. Das Regime von Präsident Nicolás Maduro habe das Land vollständig militarisiert. Durch Angst und Schrecken sitzt Nachfolger des charismatischen Hugo Chávez aktuell aber noch fest im Sattel. „Die Wahlbeteiligung wird trotzdem überragend sein. Denn alle Seiten, vor allem auch die Kirchen, rufen dazu auf, zur Wahl zu gehen“, erklärt Thomas Wieland.

Im Land selbst steht die Kirche als eine der wenigen Institutionen, der das Volk noch vertraut, an der Seite der Menschen. Adveniat unterstützt sie dabei. Nach Angaben des Hilfswerks umfasst die Hilfe vor allem Lebensmittel, Medikamente, aber auch den Unterhalt von mehr als 6.000 kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese können sich so um Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur kümmern, weil der Staat in vielen Bereichen vollständig ausfällt. „Wir liefern Medikamente, weil sie für die Menschen unbezahlbar sind. Wir bauen Gesundheitsposten auf, weil die staatlichen nicht mehr vorhanden sind. Wir fördern den Bau von Solaranlangen, weil die Stromversorgung regelmäßig ausfällt. Wir bezahlen Lehrerinnen und Lehrer an kirchlichen Schulen, während an staatlichen Schulen nur noch an zwei Tagen in der Woche so etwas wie Unterricht stattfindet“, berichtet Wieland.

Opposition wohl ohne Chancen

„Wer das Wort Demokratie in den Mund nimmt, wird mundtot gemacht“, sagt Wieland. Obwohl der Kandidat der Opposition, Edmundo González, in den Umfragen deutlich führt, sind die Aussichten auf einen Wahlsieg höchst fraglich. Internationale Beobachter gehen unisono von massiver Manipulation durch das Regime aus. Die EU-Wahlbeobachter sind ausgeladen. Da González unter Hugo Chávez sogar Botschafter in Argentinien war und somit als Chavist gilt, war es für das Regime von Nicolás Maduro schwierig, ihn abzulehnen. Beruft er sich doch selbst darauf, das chavistische Projekt fortzuführen.

„González ist jedoch nur auf Druck der Nachbarländer als Kandidat der Opposition zugelassen worden“, sagt Adveniat-Experte Thomas Wieland. Brasilien und Kolumbien – wo heute schon viele der insgesamt acht Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner leben, die vor dem Regime geflüchtet sind – befürchten einen erneuten Exodus. Mehrere Millionen Menschen sitzen in Venezuela auf gepackten Koffern.

Auf Maduro zugeschnitten

Auch die USA haben Druck auf Maduro ausgeübt, wenigsten einen „Ersatz-Kandidaten“ zuzulassen, nachdem die Oppositionspolitikerin Maria Corina Machado von den Wahlen ausgeschlossen worden war, die bei ihren Veranstaltungen Massen anzieht, wie es dem Regime schon lange nicht mehr gelingt. Ansonsten wären auch die Sanktions-Ausnahmen beim Erdöl beendet worden, die Venezuela finanziell etwas Luft verschaffen.

„Es wird keine Revolution geben“, dämpft Thomas Wieland jegliche Erwartungen. Denn an jeder Straßenecke patrouillierten Polizei oder Militär und auf sämtlichen großen Straßen des Landes reihe sich ein militärischer Kontrollposten an den nächsten. Und selbst ein Wahlerfolg der Opposition würde, so der Leiter des Bereichs Ausland bei Adveniat, wohl zunächst kaum etwas ändern. „Ein Wahlsieger Edmundo González hätte das ganze System gegen sich. Denn Militär, Polizei, Justiz, Wahlbehörde, Parlament, kurzum: Alles ist auf Maduro und den Macherhalt zugeschnitten“.

Adveniat /dr

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