Ein „Balkan-Trump“ und viele Fragezeichen
Zagreb ‐ „Am Ende werde ich Regierungschef sein“, sagt Staatspräsident Zoran Milanovic. Er setzte sich sogar über Kroatiens Verfassungsgericht hinweg, um als Amtsträger Wahlkampf zu führen. Seine Mittel wie seine Ziele: fragwürdig.
Aktualisiert: 12.04.2024
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Wie in Kroatien üblich, gaben die katholischen Bischöfe auch für die Parlamentswahl in der nächsten Woche eine Empfehlung ab. Und wie üblich, musste man zwischen den Zeilen lesen, um ihre Botschaft zu verstehen. Die Würde der Politik müsse gewahrt bleiben, ebenso die verfassungsmäßige Staatsordnung, hieß es in ihrer Erklärung. Mit ihr, da ist man sich in Zagreb inzwischen einig, zielten die einflussreichen Kirchenführer auf Staatspräsident Zoran Milanovic ab. Der umstrittene Politiker wird in Medien als „Kroatiens Donald Trump“ gehandelt, ist ein Freund von Wladimir Putin und Viktor Orban – und will der nächste Ministerpräsident des EU-Landes werden.
Es sei an der Zeit, „die Pferde zu satteln“. Mit dieser Ankündigung löste Milanovic im März einen politischen Tornado im Land aus. Politik-Experten sehen Kroatien am Rand einer Verfassungskrise. Denn Milanovic weigerte sich, im Wahlkampf als Staatspräsident zurückzutreten – weshalb das Verfassungsgericht seine Kandidatur als Ministerpräsident für unrechtmäßig erklärte. Doch Milanovic, der sich schon vor langem mit dem aktuellen Regierungschef Andrej Plenkovic verkrachte, zeigte sich unbeeindruckt und erklärte trotz auferlegten Wahlkampfverbots: „Am Ende werde ich Regierungschef sein.“
Auch sonst positioniert sich der 57-Jährige als politischer Cowboy. Er ist gegen eine Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg, versuchte den Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands zu verhindern und versammelt zunehmend Nationalisten hinter sich; in Kroatien selbst wie auch im Nachbarland Bosnien-Herzegowina.
Schlagabtausch unter Populisten
Dabei hat er die konservative Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) von Ministerpräsident Plenkovic längst rechts überholt – obwohl er eigentlich den Sozialdemokraten (SDP) angehört. Die Balkan-Korrespondentin der Wiener Tageszeitung „Standard“, Adelheid Wölfl, analysiert, Milanovic werde „mit seinen verbalen Ausfälligkeiten von manchen als verrückt abgestempelt – aber man sollte ihn nicht unterschätzen. Denn er will aus Kroatien ein zweites Ungarn machen, und er geht strategisch vor.“
Werden die Sozialdemokraten im Fall eines Wahlsiegs den umstrittenen Milanovic als Regierungschef nominieren? Wird Milanovic als Staatsoberhaupt im wahrscheinlicheren Fall eines HDZ-Siegs seinen Erzfeind Plenkovic blockieren? Oder schalten sich die Verfassungsrichter erneut ein, um eine Staatskrise abzuwenden? Noch nie hat ein Wahlkampf in Kroatien dermaßen die Inhalte überschattet.
Milanovic bezeichnete Plenkovics Regierungsteam als Gangster und korrupte Bande. Der amtierende Premier wiederum schimpfte den Präsidenten primitiv und vulgär. Viele Kroaten fühlen sich von dem Polit-Hickhack abgestoßen; allen voran potenzielle Jungwähler.
In ihrer Botschaft warnen Kroatiens Bischöfe vor den Gefahren von Populismus, der die „niedrigsten, selbstsüchtigsten Züge“ zum Vorschein bringe. Zudem habe sich ihr Wahlappell auch gegen linke Parteien gerichtet, die Themen wie Abtreibung und „Geschlechterideologie“ ins Parlament bringen.
Auch die Regierungspartei ist nicht unumstritten
Politisch am nächsten steht die Kirche der HDZ. Das zeigte sich einmal mehr in Plenkovics jüngster Kampfansage an den Bevölkerungsrückgang in Kroatien. 2022 gab es landesweit 23.000 Todesfälle mehr als Geburten.
Dabei ist auch die Regierungspartei nicht unumstritten, wie ein Journalist aus Zagreb, der anonym bleiben möchte, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) berichtet: „Ein nicht geringer Anteil der Kroaten fühlt, dass Plenkovic und die HDZ eine Gefahr für die Demokratie sind.“ Tatsächlich geriet die HDZ-Regierung immer wieder wegen Vetternwirtschaft und Korruptionsfällen in die Schlagzeilen.
So steht etwa Ex-Agrarminister Tomislav Tolusic im Verdacht, 600.000 Euro EU-Mittel für sein Weingut ausgegeben zu haben. Weitere 2,5 Millionen Euro sollen unrechtmäßig in die 3D-Aufnahme von Gebäuden geflossen sein, nachdem ein Erdbeben 2020 schwere Schäden in der Altstadt von Zagreb verursachte. Die EU-Staatsanwaltschaft ermittelt.
Korruptionsvorwürfe wurden im Wahlkampf auch gegen den Präsidenten laut: Milanovic soll versucht haben, einem Verwandten, der wegen seiner Nähe zu Russland unter Sanktionen steht, zu einem Bankkonto zu verhelfen. Aber das bringt Milanovic nicht von seinem Ziel ab: eine „Regierung der nationalen Erlösung“.