Bittere Armut hinter Bukeles Bitcoin-Hochglanzfassade
Essen ‐ In El Salvador wurde Präsident Nayib Bukele offenbar erneut gewählt. Für Kardinal Rosa Chávez gewann er einen ungleichen und unfairen Kampf.
Aktualisiert: 05.02.2024
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„Die große Mehrheit der Menschen El Salvadors lebt in bitterer Armut unter erbärmlichen Bedingungen.“ So beschreibt die Mittelamerika-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Inés Klissenbauer, die aktuelle Realität im Gegensatz zur auf Hochglanz polierten Selbstdarstellung des mittelamerikanischen Landes. Am Sonntag, 4. Februar 2024, war dort der amtierende Präsident Nayib Bukele zur Wiederwahl angetreten, obwohl die Verfassung eigentlich eine zweite Amtszeit gar nicht vorsieht. Doch das Verfassungsgericht hat den entsprechenden Artikel so ausgelegt, dass Bukele nach sechsmonatiger „Beurlaubung“ wieder antreten kann.
„Bitcoin als Landeswährung, glitzernde Hochhausfassaden in der Hauptstadt San Salvador, die Wahlen zur Miss Universe 2023, neue schicke Urlaubsressorts für reiche Touristen – hinter dieser Hochglanzfassade versteckt Präsident Bukele die bittere Realität der überwiegenden Bevölkerungsmehrheit auf dem Land und an den Rändern der Städte“, so Adveniat-Expertin Klissenbauer. Auch der behauptete Erfolg bei der Bekämpfung der Gewalt durch die Jugendbanden sei teuer auf Kosten der Armen erkauft. Unter den insgesamt bis zu 75.000 Verhafteten gebe es auch tausende Unschuldige, die nun ohne jedes rechtsstaatliche Gerichtsverfahren für Monate, teils Jahre in Haft sitzen. „Mehr als 200 Menschen sind in den Gefängnissen bereits gestorben. Die Haftbedingungen sind barbarisch und unmenschlich“, so Inés Klissenbauer. Präsident Bukele hatte bereits 2022 den Ausnahmezustand verhängt, den er seitdem regelmäßig verlängert. Dieser ermöglicht unter anderem, vermeintliche Mitglieder der Mara-Banden ohne Gerichtsbeschluss zu verhaften.
Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat finanziert mit insgesamt 35.000 Euro Lebensmittel- und Hygienepakete, die Müttern mit ihren im Gefängnis geborenen Kindern zugutekommen und Familien, die ohne das Einkommen ihrer inhaftierten Ernährer hungern, auch wenn sie mit den kriminellen Mara-Banden nichts zu tun haben. 80.000 Euro stehen bereit für Familienangehörige, die sich die Kosten für einen Anwalt nicht leisten können. „Wir versuchen den armen Familien ein Minimum an Lebensmitteln in den Gefängnissen, und ein Minimum an Rechtsbeistand vor den Gerichten zu garantieren“, begründet die Mittelamerika-Expertin Klissenbauer die Hilfe des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat.
Als ungleichen und unfairen Kampf zwischen David und Goliath beschreibt der langjährige Adveniat-Partner Kardinal Gregorio Rosa Chávez den Präsidentschaftswahlkampf. Auf der einen Seite der in den Medien und insbesondere in den Sozialen Netzwerken omnipräsente amtierende Präsident Nayib Bukele, auf der anderen die nahezu unbekannten Kandidaten der Kleinstparteien, die im öffentlichen Wahlkampf kaum eine Rolle spielen. „Sie wollen eine Zukunft, in der eine einzige Partei dominiert“, so Kardinal Rosa Chávez, der am Ende der Entwicklung gar eine Diktatur befürchtet.
Obwohl die Umfragen einen ungefährdeten Sieg Bukeles voraussagten, hatte Kardinal Rosa Chavez auf den „der schlafenden Riesen“, also die wählende Mehrheitsbevölkerung, gehofft. Die Mittelamerika-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Inés Klissenbauer, erinnerte an die faustdicke Überraschung bei den Präsidentschaftswahlen im Nachbarland Guatemala 2023: „Vielleicht nimmt sich die bislang schweigende Mehrheit der Salvadoreños ein Beispiel an Guatemala. Dort haben die Menschen den neuen Präsidenten Bernardo Arévalo gewählt und damit die Macht der korrupten Eliten durchbrochen.“
Bukele erklärt sich zum Sieger nach Wahl in El Salvador
In El Salvador hat sich Nayib Bukele (42) zum Sieger der Präsidentschaftswahlen erklärt. „Nach unseren Zahlen haben wir die Präsidentschaftswahlen mit mehr als 85 Prozent der Stimmen und mindestens 58 von 60 Abgeordneten der Versammlung gewonnen“, schrieb Bukele im Kurznachrichtendienst X bereits vor Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses.
Bukele rief seine Landsleute auf, zum Nationalpalast zu kommen. In einer Rede vor seinen Anhängern verteidigte Bukele erneut seinen international umstrittenen Kurs der Massenverhaftungen von mutmaßlichen Mitgliedern krimineller Banden via Ausnahmezustand. Trotz noch fehlender offizieller Ergebnisse gratulierten noch am Abend Regierungschefs aus den Nachbarländern.
Adveniat/KNA