Provinzpriester mit Lederjacke und Einfluss
Rom ‐ In Deutschland ein eher unbekanntes Phänomen, in Italien nicht unüblich: katholische Priester als sogenannte Influencer in sozialen Medien. Ein süditalienischer Provinzpfarrer hat es zu nationaler Berühmtheit gebracht.
Aktualisiert: 19.01.2024
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Lässig in Lederjacke präsentiert sich Cosimo Schena am Strand. Seine grün-braunen Augen schauen in die Ferne, die Frisur mit Gel vor der adriatischen Meeresbrise geschützt, der modische Vollbart sorgsam gestutzt, die Hände lässig in den Taschen seiner schwarzen Jeans. Mit diesem Foto könnte der 42-Jährige durchaus auch als Model seine Brötchen verdienen. Doch vor rund 14 Jahren entschied er sich für eine in Italien weniger einträgliche Aufgabe und wurde Priester.
In seinem Heimatbistum Brindisi am italienischen Stiefelabsatz leitet er eine Pfarrei. Doch seine Zuhörer beschränken sich nicht auf die sonntäglichen Messbesucher. Mittlerweile hat der Süditaliener nationale Berühmtheit erlangt. Denn neben seinem Job als Pfarrer ist „Don Mino“ seit einigen Jahren erfolgreicher Influencer in den sozialen Medien.
Mit seinen Abonnentenzahlen kratzt er zwar nicht an denen der ganz großen „Beeinflusser“ Italiens - etwa Chiara Ferragi, der trotz Skandale rund 29 Millionen Menschen auf Instagram folgen. Für einen Provinzpriester sind 181.000 sogenannte Follower alleine in diesem Netzwerk aber beachtlich. Daneben bespielt Schena als „Poet der Liebe Gottes“ ebenso eigene Kanäle auf Facebook, X (vormals Twitter), lädt Videos auf die Plattformen TikTok und YouTube, betreibt einen Blog und schreibt auch noch Bücher. In italienischen Talkshows ist er ein gerngesehener Gast, ebenso als Protagonist in Zeitungsartikeln.
Mit seinen Auftritten wolle er Botschaften der Liebe und Hoffnung verbreiten, begründet Schena seine Online-Präsenz gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Rom. 2018 begann er in einem sozialen Netzwerk, in den nächsten Jahren folgten weitere. Er habe erkannt, dass er dort erfolgreich sein könne, als er sah, dass seine Gedichte und Gedanken ein wachsendes Publikum erreichten. Menschen würden von seinen Inhalten inspiriert oder getröstet.
Die echte Pfarrei hat Vorrang
Seine Anhängerschar – hauptsächlich jung, aber auch mit Vertretern mittlerer und älterer Semester – unterhält er meist mit kurzen Videos. Aufgenommen mal im Auto, mal in der Kirche oder auf dem heimischen Sofa gibt er darin Denkanstöße für das alltägliche Leben und Miteinander. Tierschutz ist ein weiteres Anliegen des Priesters aus Brindisi. Das unterstreicht er publikumswirksam mit Fotos von ihm mit seinen zwei Hunden - der Beagle nennt gar ein eigenes Social-Media-Konto sein eigen.
Nun trägt Schena aber nicht nur Sorge für Internetfans und Haustiere, sondern auch für seine eigene, ganz unvirtuelle Pfarrgemeinde. Diese habe bei ihm nach wie vor Priorität, sagt er. Er versuche sich seine Zeit zwischen den Aktivitäten in den sozialen Medien und seiner seelsorgerischen Tätigkeit als Pfarrer einzuteilen. Und obwohl ihn das positive Feedback in den Medien freue, produziere er seine Beiträge nicht dafür, antwortet er auf die Frage, ob er sich nicht vielleicht auch gerade deshalb als „glücklicher Priester“ bezeichne.
Gefeit vor Kritik ist der studierte Philosoph und Psychologe im Internet aber nicht. Einige werfen ihm Oberflächlichkeit und Selbstdarstellung vor. Ganz abwegig ist das nicht. Ob in T-Shirt, Kapuzenpullover oder Priesterhemd - Protagonist der Auftritte ist stets der charismatische Schena.
Auch der wohl einflussreichste aller katholischen Influencer, Papst Franziskus, dem allein auf seinem italienischsprachigen X-Account knapp 5,5 Millionen Menschen folgen, könnte das Engagement des 42-Jährigen zwiegespalten sehen. Zwar predigt der Pontifex eine menschennahe Kirche und einen intensiveren Einsatz für die Verbreitung der Frohen Botschaft. Zugleich warnt er unablässig katholische Priester vor Verweltlichung, verurteilt den Wunsch nach Steigerung des eigenen Erfolgs, die Pflege des eigenen Images und Selbstbezogenheit bei Geistlichen.
Schena gibt dem Papst in diesen Punkten recht. „Ich denke jedoch, dass soziale Medien ein nützliches Instrument sein können, um ein größeres Publikum zu erreichen und die Botschaft der Kirche von Liebe und Hoffnung zu verbreiten“, so der Pfarrer. „Ich versuche immer, soziale Medien verantwortungsvoll zu nutzen und nicht in die Falle der Selbstreferenzialität zu tappen.“
Seinen Lebensstil in finanzieller Hinsicht beeinflusst seine Social-Media-Tätigkeit nach eigenen Angaben nicht. Es gebe kein Sponsoring und er präsentiere auch keinerlei Produkte auf seinen Kanälen. Die Einnahmen aus dem Verkauf seiner Bücher gingen an den Tierschutz. So bleibt das Influencer-Dasein ein Ehrenamt neben seiner wenigstens monetär wenig einträglichen Hauptaufgabe. In Italien verdient ein Diözesanpriester im Schnitt zwischen 700 und 900 Euro im Monat.