Symbolbild Indien auf Globus
Nach dem Machtwort des Papstes in der indischen Kirche

Weihnachtskrach in der syro-malabarischen Diözese Kerala

Neu Delhi  ‐ Es mag wie eine Petitesse klingen. Doch in Indiens syro-malabarischer Kirche spitzt sich der Streit um die Blickrichtung des Priesters in der Messe zu. Sogar der Papst hat sich eingeschaltet.

Erstellt: 22.12.2023
Aktualisiert: 24.12.2023
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Von Michael Lenz (KNA)

Die Genehmigung der Segnung homosexueller Paare war nicht der einzige überraschende Schritt des Papstes in diesem Advent. Zuvor hatte Franziskus – höchst ungewöhnlich – per Video direkt die Priester des syro-malabarischen Erzbistums Ernakulam Angamaly im indischen Bundesstaat Kerala angewiesen, im Sinne der „Einheit“ der Kirche den Streit um die Liturgieform beizulegen. Ab dem 25. Dezember, so der Papst, gelte in der mit Rom verbundenen Ostkirche verbindlich die Liturgieform, die die Synode schon 1999 festgelegt hatte: Der Priester zelebriert die Messe zunächst mit dem Gesicht zur Gemeinde; erst während der Eucharistiefeier wendet er sich zum Altar.

Die meisten der 464 Priester und 500.000 Gläubigen in Ernakulam Angamaly akzeptieren diesen Kompromiss nicht. Sie bestehen darauf, dass der Priester weiterhin den gesamten Gottesdienst mit dem Gesicht zur Gemeinde feiert, wie es seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) Usus ist.

Vieles deutet darauf hin, dass das Basta von Franziskus nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist. Die im „Komitee zum Schutz der Erzdiözese“ zusammengeschlossenen rund 400 Priester lassen sich weder von der Exkommunikation im Falle des Ungehorsams gegenüber dem Papst noch von den Rücktritten des skandalgeplagten Großbischofs der Kirche, Kardinal George Alencherry, und Erzbischof Andrews Thazhath als Administrator (Übergangsverwalter) der Erzdiözese beeindrucken.

Das „Schutzkomitee“ fordert eine Untersuchung der Authentizität des Videos von Franziskus. An den neuen Administrator, den Jesuiten Cyril Vasila, richtete es am 17. Dezember die Warnung: „Wenn der päpstliche Delegierte die Politik des Zwangs fortsetzt, selbst nachdem er den Vertretern von Priestern und Laien zugehört hat, wird dies schwerwiegende Folgen jenseits aller Vorstellungskraft haben.“

Der für den Durchschnitts-Kirchgänger als liturgische Petitesse anmutende Streit hat seine Wurzel in einem grundsätzlich anderen Gottesdienstverständnis der ostindischen Kirche. „In früheren Zeiten feierte die Syro-Malabar-Kirche die Heilige Qurbana – die eucharistische Liturgie – mit dem theologischen Verständnis, dass die Eucharistie ein Opfer ist und mit dem Priester vor dem Altar gefeiert wurde, wie früher auch in unserer lateinischen Eucharistie“, sagt die indische katholische Theologin Virginia Saldanha der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Die Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils etablierte hingegen die Eucharistie als Mahl, das Jesus mit seinen Anhängern teilte und sie aufforderte, dasselbe in seinem Gedenken zu tun.“ Deshalb wende sich der Priester seit dem II. Vatikanum auch während der Eucharistie den Menschen zu.

Gottesdienstverständnisse prallen aufeinander

In Ernakulam Angamaly geht es derweil hoch her. Die Rebellenpriester sind erstaunt und verärgert über die Videobotschaft des Papstes. Niemand aus dem Dikasterium der Orientalischen Kirchen, so die Priester, habe mit ihnen über ihren Standpunkt gesprochen. Die Bischöfe hingegen verkünden, sie hätten den Rebellen im Interesse der Einheit den Befehl gegeben, sich anzupassen.

In Rom gibt es zudem schon Stimmen, die vor einem neuen Schisma wie zuletzt durch die – inzwischen aufgehobene – Exkommunikation der traditionalistischen Piusbruderschaft warnen. Diesen Vergleich weist die syro-malabarische Theologin Kochurani Abraham jedoch entschieden zurück. „Die Position der Piusbruderschaft stand völlig im Widerspruch zum Zweiten Vatikanischen Konzil, während die von der Mehrheit dieser Diözese gewünschte Liturgie für Menschen mit dem Konzil übereinstimmt“, betont Abraham in einer Email aus Kerala an die KNA. „Hier geht es darum, dass die Bischofssynode einen blinden Gehorsam gegenüber ihren Dekreten fordert, während das Volk eine pastoralere und theologisch sinnvollere Eucharistiefeier wünscht.“

Das Weihnachtsultimatum des Papstes hält die Theologin für „unglücklich“. „Es widerspricht dem Aufruf des Papstes zur Gemeinschaft in der Kirche. Gemeinschaft kann nicht durch Drohungen, sondern nur durch einen gesunden Dialog gefördert werden“, so Kochurani Abraham. „Der Streit kann also nicht bis zum Weihnachtstermin, den Papst Franziskus der Erzdiözese gesetzt hat, beigelegt werden.“

Im Bundesstaat Kerala leben nach offiziellen Angaben 2,35 Millionen Anhänger der syro-malabarischen Kirche. Weltweit sind es 4,25 Millionen.

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