Misereor: Entwicklungsarbeit wird wichtiger und schwieriger
Berlin ‐ Die Folgen von Klimawandel und Kriegen treffen vor allem Menschen mit ohnehin hohem Armutsrisiko, mahnt das katholische Hilfswerk Misereor. Politische Krisen wie in Niger beeinträchtigen die Arbeit von Helfern zusätzlich.
Aktualisiert: 28.08.2023
Lesedauer:
Die Arbeit von Entwicklungshelfern wird aus Sicht des katholischen Hilfswerkes Misereor durch die politische Krise in Niger vor Ort immer schwieriger. Zugleich steige angesichts vielfältiger weiterer Krisen weltweit der Bedarf für humanitäre und Entwicklungshilfe. Deutschland komme als einem der reichsten Länder der Erde eine hohe Verantwortung zu, „dass wir der Vision einer menschenwürdigen und gerechten Welt für alle näher kommen“, sagte Misereor-Hauptgeschäftsführer, Pirmin Spiegel, am Donnerstag in Berlin. Anlass war die Jahresbilanzpressekonferenz des Hilfswerks.
Der Kampf gegen den Hunger als dringlichstes Ziel sei kein Mengenproblem, sondern politisch eine Folge sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit. Es komme auch bei der Klimakrise nicht nur auf innovative technische Lösungen an, sondern in der persönlichen Haltung auf eine „Ethik der Sorge und Achtsamkeit, der Solidarität und Verantwortung, eine Ethik der Genügsamkeit“, hieß es.
Misereor unterstützte im vergangenen Jahr laut Geschäftsbericht zusammen mit 1.800 Partnerorganisationen vor Ort etwa 3.200 Projekte in 86 Ländern. 61,7 Millionen Spenden erhielt Misereor dazu. Das sei etwas weniger als im Vorjahr, aber im Vergleich über mehrere Jahre auf einem bleibend hohen Niveau, sagte Spiegel. Insgesamt standen im vergangenen Jahr mit Mitteln des Entwicklungsministeriums 241,5 Millionen Euro zur Verfügung. Der Schwerpunkt der Arbeit von Misereor liege auf Hilfsprojekten sowie Bildungs- und Lobbyarbeit für Menschen in Ländern des Globalen Südens.
Kritik an Asyldebatten in Deutschland
Spiegel kritisierte die aktuellen Asyldebatten in Deutschland und Europa als „der Weltlage nicht angemessen“. Angesichts von 110 Millionen Geflüchteten weltweit brauche es statt restriktiver Abschottung mehr partnerschaftliche Abkommen mit den Ländern des Globalen Südens. Sie sollten auch die Situation in den Herkunfts- und Transitländern berücksichtigen. Der Geburtsort eines Menschen solle nicht über die Zukunft eines Kindes entscheiden, sagte Spiegel. Von 2018 bis 2020 seien mehr als eine Million Kinder „in ein Flüchtlingsleben hinein geboren“ worden.
Der Vorsitzende der Katholischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe (KZE), Karl Jüsten, sagte, internationale Erwartungen an die deutsche Entwicklungszusammenarbeit seien gestiegen. Statt der geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt um mehr als fünf Prozent auf 11,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr seien deutliche Steigerungen in diesem Bereich notwendig. Dies betreffe auch die Aufstockung der Hilfen für Geflüchtete und deren Aufnahmeländer.
Angesichts eines wachsenden Einflusses von Russland und China in Ländern Lateinamerikas und Afrikas komme dem Einsatz für mehr Gerechtigkeit, Teilhabe und Armutsbekämpfung eine immer wichtigere Rolle zu, „um die Akzeptanz des Westens in unseren Partnerländern nicht weiter erodieren zu lassen“, so Jüsten. „Der Arroganz der besserwissenden und moralisch scheinbar überheblichen westlichen Staaten stellen wir mit unserer Arbeit an der Basis glaubwürdige, gelebte Solidarität und Partnerschaft entgegen.“ Damit würden auch demokratische Werte im weltweiten Wettbewerb gesichert.
KNA