Patriarch Sako kündigt Rückzug aus Bagdad an

Irakische Regierung widerruft Anerkennung des chaldäisch-katholischen Patriarchen

Bagdad/Erbil ‐ Der chaldäisch-katholische Patriarch Louis Raphael Sako wird seinen Amtssitz in der irakischen Hauptstadt verlassen. Für die aktuellen Probleme macht er den Führer einer christliche Miliz verantwortlich.

Erstellt: 18.07.2023
Aktualisiert: 19.07.2023
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Nach anhaltenden Querelen um seine Kompetenzen hat der chaldäisch-katholische Patriarch Louis Raphael Sako seinen Rückzug aus seinem Amtssitz in Bagdad angekündigt.

Er werde sich stattdessen in die Autonome Region Kurdistan im Nordirak in ein Kloster begeben, so der Kardinal in einem am Samstag veröffentlichten Schreiben. Darin spricht er von einem „noch nie da gewesenen politischen, nationalen und moralischen Chaos“.

Der chaldäische Erzbischof von Erbil, Bashar Warda, bestätigte am Samstag, Sako werde künftig die kirchlichen Angelegenheiten von Kurdistan aus beaufsichtigen. Der Sitz des Patriarchats der Chaldäischen Kirche werde aber nicht verlegt.

Demonstranten stellen sich hinter Sako

Hintergrund ist Konflikt, in dem es vor allem um Kircheneigentum geht und der teilweise innerhalb der Kirche ausgetragen wird. Er endete vorerst damit, dass der irakische Präsident Abdul Latif Rashid am 3. Juli ein von Amtsvorgänger Jalal Talabani erlassenes Sonderdekret aus dem Jahr 2013 aufhob. Dieses hatte Sako weitreichende Befugnisse zur Verwaltung chaldäischer Stiftungsangelegenheiten eingeräumt und bezeichnete ihn offiziell als Oberhaupt der Chaldäischen Kirche.

Im Zuge des Konflikts war der Kardinal am Freitag von der Polizei vernommen worden, weil ihm vorgeworfen wird, Kirchenbesitz unrechtmäßig veräußert zu haben. Derzeit hält er sich offenbar in Istanbul auf, wo er an diesem Sonntag die Weihe des neuen chaldäischen Bischofs für Diyabakir, Sabri Anar, vornehmen soll.

Bild: © KNA

Zieht vorerst in ein Kloster in Kurdistan: Patriarch Louis Raphael Sako.

Die Christen im Nordirak forderten bei Demonstrationen in Ankawa bei Erbil in der Autonomen Region Kurdistan und in Karamles in der Ninive-Ebene Gerechtigkeit für den Kardinal. Ebenso bekundeten chaldäische und weitere Bischöfe aus der ganzen Welt ihre Solidarität mit Sako.

Geschäftsgebaren von christlichem Milizführer in der Kritik

Sako erklärte in seinem Schreiben an Präsident Rashid, den irakischen Premierminister Muhammad Shiaa al-Sudani sowie an das christliche und irakische Volk, die jüngsten dramatischen Entwicklungen dauerten an; er selbst werde angeklagt, während der tatsächlich Schuldige frei sei und geschützt werde. Gemeint ist damit Rayan Al-Kildani, Gründer der Miliz „Babylon-Brigaden“ und der politischen Babylon-Bewegung, von der sich Sako bereits in der Vergangenheit mehrfach öffentlich distanziert hatte. Rashids Entscheidung war nach einem Treffen mit Kildani gefallen.

Kildani wird von verschiedenen Seiten vorgeworfen, dass er in Diensten des Iran steht und christliches Eigentum in großem Stil an iranische Mittelsmänner verkauft. Sako und Kildani lieferten sich in den vergangenen Monaten heftige Wortgefechte. Der Patriarch warf dem Politiker und Milizenführer etwa vor, nicht die Interessen der Christen zu vertreten, auch wenn er dies vorgebe. Kildani warf Sako seinerseits vor, sich in die Politik einzumischen, Land unrechtmäßig zu veräußern und den Ruf der Chaldäischen Kirche zu schädigen.

Stichwort: Chaldäisch-katholische Kirche

Die chaldäisch-katholische Kirche ist im 16. Jahrhundert aus der Assyrischen Kirche des Ostens hervorgegangen. Sie zählt heute weltweit rund 500.000 Mitglieder. Der Sitz des Patriarchen befindet sich im irakischen Bagdad; ein großer Teil der Gläubigen lebt aber in den USA, Westeuropa und Australien. Im Nahen Osten gibt es bedeutende chaldäische Gemeinden im Irak, Syrien, dem Libanon und im Iran. Im Irak gehören rund 67 Prozent der Christen der chaldäischen Kirche an. Derzeitiges Oberhaupt ist Patriarch Louis Raphael Sako I. (75). Er wurde 2018 von Papst Franziskus zum Kardinal erhoben.

In der chaldäischen Kirche wird der ostsyrische Ritus verwendet. Liturgiesprache ist grundsätzlich Syrisch (Aramäisch), oft aber auch in Kombination mit Arabisch. Wegen der Union mit der römisch-katholischen Kirche haben auch lateinische Elemente Eingang in die Liturgie gefunden.

Seit dem 13. Jahrhundert gab es Kontakte zwischen der katholischen Kirche und der Assyrischen Kirche, als Dominikaner und Franziskaner in Mesopotamien missionierten. Einige assyrische Bischöfe gingen auch damals schon Unionen mit Rom ein, die aber immer nur lokal und zeitlich begrenzt waren. Im 15. Jahrhundert setzte sich in der assyrischen Kirche die Tradition durch, dass das Amt des Katholikos (Oberhaupt) vom Onkel auf den ältesten Neffen vererbt wird. Dies war ein ständiger Grund für Zwist und Ärgernisse. 1552 wählten unzufriedene Bischöfe den Mönch Yuhannan Sulaqa zum Gegenpatriarchen. Dieser suchte die Nähe zu Rom und wurde schließlich von Papst Julius III. zum „Patriarchen der Chaldäer“ ordiniert. 1830 bestätigte Pius VIII. das Chaldäische Patriarchat.

Auch für die Chaldäer war der Genozid im Osmanischen Reich (1915/18) eine Katastrophe. Zigtausende Gläubige wurden ermordet, noch mehr vertrieben. Bis heute steht die chaldäische Kirche für eine besonders leidgeprüfte Kirche. Die Kriege im Irak und in Syrien haben auch in den vergangenen Jahren Zehntausende Chaldäer zu Flüchtlingen und Migranten gemacht.

KNA

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