Friedensglocken
Polen-Reise von Rottenburger Bischof und BW-Ministerpräsident

Kretschmann und Fürst geben von Nazis gestohlene Glocken zurück

Rottenburg ‐ Als Metallreserve für ihre Rüstungsindustrie haben die Nazis ab 1940 eine enorme Anzahl an Glocken entwendet. Viele wurden eingeschmolzen, doch drei gehen nun zurück an ihre früheren Besitzer – darunter auch eine ganz besondere.

Erstellt: 23.06.2023
Aktualisiert: 23.06.2023
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Der Rottenburger katholische Bischof Gebhard Fürst und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) reisen am Wochenende nach Polen, um von den Nationalsozialisten gestohlene Kirchenglocken an ihre früheren Besitzer zurückzugeben. Konkret geht es um drei Instrumente aus Pommern und dem Ermland, die im Rahmen eines in dieser Form einmaligen Projekts zurückgebracht werden.

Ab 1940 wurden rund 100.000 Glocken in den früheren deutschen Ostgebieten und in besetzten Ländern abgehangen und der Rüstungsindustrie als Metallreserve zur Verfügung gestellt. Bei Kriegsende blieben 16.000 Glocken erhalten; die meisten kamen zurück in ihre Gemeinden. Rund 1.300 landeten zunächst auf dem Hamburger „Glockenfriedhof“ und wurden ab 1950 Kirchengemeinden in der Bundesrepublik überlassen.

Gestohlene Glocke im Rottenburger Martinsdom

Ausgangspunkt des Projekts „Friedensglocken für Europa“ waren Arbeiten am Geläut des Rottenburger Doms Sankt Martin. Damals stellte sich heraus, dass eine Glocke aus dem heutigen Polen stammt. Bei der danach gestarteten systematischen Untersuchung in allen katholischen Kirchen Württembergs zeigte sich, dass 66 weitere Instrumente vom „Glockenfriedhof“ stammen, von denen 54 noch benutzt wurden. 3 davon werden nun den katholischen Gemeinden in Dietrichsdorf (Straszewo) im Bezirk Pommern sowie in Frauenburg (Frombork) und Siegfriedswalde (Zegoty) im Bezirk Ermland-Masuren übergeben.

Video: © Diözese Rottenburg-Stuttgart

Im Rahmen des Projekts wurden bereits mehrere Glocken an Gemeinden insbesondere in Tschechien und Polen zurückgegeben. Nach der Rückgabe der Glocke aus dem Rottenburger Dom habe man ihm Fotos gezeigt, auf denen Menschen an dem Tag zu sehen waren, als die Glocken abgehängt worden seien, berichtete Bischof Fürst nach dem Abschluss der ersten Übergabeaktion. Das habe diese Menschen und auch ihn tief ergriffen. Die Gemeinden in der Diözese Rottenburg-Stuttgart erhalten im Gegenzug aus Mitteln des Projekts eine neu gegossene Friedensglocke.

Für Kretschmann hat die Reise eine persönliche Dimension, weil seine Familie aus dem Ermland stammt. Während der Grünen-Politiker in Spaichingen auf die Welt kam, wurde sein älterer Bruder Ulrich noch in Frauenburg geboren und getauft. Fürst liegt das Projekt am Herzen. Er spricht von „Friedensglocken, weil sie Symbole für die christliche Überzeugung der Geschwisterlichkeit aller Menschen sind“. Ziel des Projekts ist es, über die Rückgabe hinaus Begegnungen zu ermöglichen und einen Beitrag zur kirchlichen Friedensarbeit zu leisten.

weltkirche.de/KNA/DRS