Kardinal Matteo Zuppi, Erzbischof von Bologna (Italien) und Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz (CEI), spricht während der Vollversammlung der CEI, am 24. Mai 2022 in Rom.
Papst Franziskus setzt auf Kardinal Zuppi – und auf Sant'Egidio

Vom einfachen Pfarrer zum Friedensvermittler

Rom ‐ Er gilt als zurückhaltend und ist doch in Italien schon lange ein kirchenpolitisches Schwergewicht. Nun hat der Papst ihn durch eine Friedensmission im Ukraine-Krieg auch international bekannt gemacht.

Erstellt: 27.05.2023
Aktualisiert: 25.05.2023
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Wenn man Kardinal Matteo Zuppi trifft, fällt es nicht leicht, sich den schlaksigen Mann mit dem schütteren grauen Haar am Verhandlungstisch mit politisch Mächtigen vorzustellen. Sein Italienisch mit dem römischen Tonfall klingt ein wenig verwaschen, sein Gesicht strahlt eine beinahe naiv wirkende Heiterkeit und Freundlichkeit aus.

Das alles trägt dazu bei, dass Zuppi lange zu den meist unterschätzten Kirchenmännern Italiens gehörte. Wenn er in Ansprachen Sätze zu theologischen oder politischen Sachverhalten formuliert, klingen sie selbst für jemanden, der den Kirchenjargon kennt, meist sehr bildhaft und ein wenig verklausuliert. Nur mit Mühe kann man hinterher auf den Punkt bringen, was Zuppi genau gesagt hat.

Wunschnachfolger des Papstes?

Vielleicht sind es aber gerade diese Eigenschaften, die den einstigen Pfarrvikar im römischen Stadtteil Trastevere – damals nannten ihn alle „Don Matteo“ – zu einer Schlüsselfigur im Pontifikat von Papst Franziskus gemacht haben. 2015 ernannte ihn das Kirchenoberhaupt zum Erzbischof in der traditionell linken Industrie- und Universitätsstadt Bologna. Und während die meisten Erzbischöfe in „Kardinalsmetropolen“ wie Mailand, Turin oder Venedig vergebens auf die Kardinalswürde warten, erhielt Zuppi diese im Jahr 2019.

Knapp drei Jahre später machte ihn der Papst zum Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz, die mit ihren mehr als 300 Mitgliedern weltweit zu den größten zählt. Seither gilt Zuppi als möglicher Wunschnachfolger des argentinischen Papstes.

Und nun hat Franziskus ihn auch noch damit beauftragt, nach Wegen zu suchen „die Spannungen im Konflikt in der Ukraine zu mildern“ und „Wege zum Frieden“ zu ermöglichen. Die Umschreibung dieses ungewöhnlichen Auftrages, den Zuppi in Abstimmung mit dem vatikanischen Staatssekretariat erfüllen soll, klingt ähnlich wolkig wie manche Reden des Kardinals. Aber vielleicht ist gerade das eine Vorbedingung für einen Erfolg bei dem scheinbar aussichtslosen Unterfangen, die Kriegsparteien miteinander ins Gespräch zu bringen.

Einer, der verfeindete Lager an einen Tisch bringen kann

Dass Zuppi verfeindete Lager zum Frieden führen kann, hat er Anfang der 1990er Jahre bewiesen. Damals hat er gemeinsam mit Sant'Egidio-Gründer Andrea Riccardi in mehr als zwei Jahre dauernden Verhandlungen die Bürgerkriegsparteien in Mosambik dazu gebracht, Frieden zu schließen. Das „Friedensabkommen von Rom“ vom 4. Oktober 1992 gilt bis heute als die größte diplomatische Leistung der internationalen Gemeinschaft von Sant'Egidio.

Zuppi, damals noch Pfarrvikar in Trastevere, wo die Gemeinschaft ihren Sitz hat, trug wesentlich zu diesem Erfolg bei. Nicht zufällig ist die kleine Kirche Sant'Egidio, wo die Gemeinschaft von engagierten katholischen Laien 1968 ihren Anfang nahm, heute auch die Titelkirche von Kardinal Zuppi. Ohne die enge Verbindung zu der in ihren Strukturen schwer durchschaubaren Vereinigung wäre Zuppi nicht die Schlüsselposition zugewachsen, in der er sich jetzt befindet.

Wie sehr Papst Franziskus Sant'Egidio schätzt, machte er unlängst bei einer Begegnung mit Hunderten Flüchtlingsfamilien deutlich, die mit Unterstützung der Gemeinschaft auf sicheren Wegen (mit Sondervisa und Flugtickets ausgestattet) aus Nahost und Afrika nach Italien gekommen waren. „Wie tüchtig sind doch die Leute von Sant'Egidio!“, rief der Papst bei dieser Gelegenheit unter dem Applaus der Geflüchteten und ihrer Helfer.

Chancen ungewiss

Ob die Verbindungen der Gemeinschaft zu orthodoxen Kirchen und ihre para-diplomatischen Kontakte auf politischem Gebiet in Kombination mit dem persönlichen Charisma von Kardinal Zuppi ausreichen, um neue Friedenshoffnung in den seit 15 Monaten tobenden russischen Angriffskrieg zu bringen?

Zuppi selbst hat, unmittelbar nachdem der Papst den ungewöhnlichen Auftrag bestätigte, das getan, was ihm als ausdauerndem Redner mutmaßlich am schwersten fällt: Über den Pressesprecher der Bischofskonferenz hat er mitgeteilt, dass er sich selbst bis auf Weiteres ein absolutes Schweigegebot auferlegen will: „Angesichts der Bedeutung und der besonderen Sensibilität dieser Aufgabe wird der Kardinal keine Erklärungen veröffentlichen und keine Interviews geben, bis der Papst und der Heilige Stuhl dies für angebracht halten.“

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)