Barbara Kluge, Ministerialdirigentin im BMI – Abteilung Cyber- und Informationssicherheit; Rhoy Dizon, Missio-Projektpartnerin in den Philippinen; Pfarrer Dirk Bingener, Präsident missio Aachen
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Hunderttausende Missbrauchstäter auf der Suche nach jungen Opfern

Missio fordert verstärkten Kampf gegen Online-Missbrauch

Aachen/Berlin ‐ Tausende Kinder sind weltweit Opfer von Online-Missbrauch – und die Anzahl der Täter ist gigantisch. Das katholische Hilfswerk Missio Aachen warnt gemeinsam mit Projektpartnern vor den gravierenden Folgen.

Erstellt: 02.03.2023
Aktualisiert: 01.03.2023
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Von Gottfried Bohl (KNA)

750.000 Missbrauchstäter sind im Internet auf der Suche nach minderjährigen Opfern. Und das nicht etwa pro Jahr, Monat oder Woche. Nein – Minute um Minute, in jedem einzelnen Moment ist das weltweit der Fall, schätzen die Vereinten Nationen und die US-Sicherheitsbehörde FBI.

Doch es sind nicht allein diese erschreckenden Zahlen, die das katholische Hilfswerk Missio Aachen anspornen im Kampf gegen Online-Missbrauch. Vor allem sind es die unzähligen Einzelschicksale dahinter, von denen Projektpartner aus Afrika und Asien berichten.

Partner wie etwa Rhoy Dizon von den Philippinen. Die Menschenrechtsexpertin berichtet von zum Teil erst acht Jahre alten Kindern aus armen Familien, die in die Fänge der Cyber-Zuhälter geraten: „Diese nutzen die Not aus. Denn die Kinder fühlen sich verpflichtet, ihren Eltern zu helfen, den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten.“

Eine beliebte Masche sei es, so Dizon, den Kindern erst Essen anzubieten – „vor allem Hamburger, die für sie ein seltener Leckerbissen sind“ – und dann Geld für sexuelle Handlungen vor der Kamera. Das fange in der Regel langsam an, etwa mit Ausziehen oder sich selbst berühren auf Wunsch der Zuschauer oder Kameraleute. Aber es könne auch zu sexuellen Übergriffen durch Jugendliche oder Erwachsene bis hin zur Vergewaltigung kommen, die dann gefilmt und ins Netz gestellt werden.

Rhoy Dizon, Missio-Projektpartnerin in den Philippinen
Bild: © Hartmut Schwarzbach/Missio Aachen

Rhoy Dizon, Missio-Projektpartnerin in den Philippinen

Pädokriminelle „Jagdgebiete“

Der frühere Kriminalkommissar und Experte für Prostitutionskriminalität, Manfred Paulus, berichtet von neuen „Jagdgebieten“ für die pädokriminelle Szene in Osteuropa. Ganze Kinderheime seien plötzlich leer, die Kinder würden vermittelt an kriminelle Banden: „Vor allem Kinder, nach denen niemand mehr fragt, werden Opfer – bis zu sogenannten Snuff-Pornos, bei denen sogar Kinder getötet werden.“

Ähnlich schreckliche Taten aus dem Bereich der „modernen Sklaverei“ schildern Missio-Partner aus anderen Teilen der Welt, etwa Therese Mema aus der Demokratischen Republik Kongo: „Kinder unter 5 Jahren arbeiten in den Minen, kleine Mädchen werden zu Sex-Sklavinnen gemacht, Jungen und Mädchen müssen als Kindersoldaten andere Menschen töten.“

Pater Shay Cullen, der Gründer des Kinderschutzzentrums Preda auf den Philippinen, kritisiert im Zusammenhang mit Online-Missbrauch vor allem die großen Internet-Plattformen: „Moderne Technik bis hin zu Künstlicher Intelligenz könnte helfen, problematische Inhalte zu blockieren und Täter zu überführen, aber da passiert viel zu wenig.“

Auch Polizei und Justiz müssten Kinderpornografie und andere Formen sexualisierter Gewalt stärker verfolgen, fordern Cullen und andere Fachleute. In diese Richtung geht auch die Petition „Schützt Kinder vor Online-Missbrauch!“, die Missio-Präsident Dirk Bingener jetzt gemeinsam mit Rhoy Dizon im Bundesinnenministerium in Berlin überreicht hat.

Auch große Plattformen in der Verantwortung

Insgesamt fast 13.700 Unterschriften unterstützen die drei zentralen Forderungen, die Bingener im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) so auf den Punkt bringt: „Erstens braucht es mehr Verpflichtungen für die großen Plattformen, dass sie gegen Missbrauchsdarstellungen vorgehen und diese melden. Zweitens braucht es mehr Zeit für die Ermittlungsbehörden durch längere Datenspeicherung: Die Daten müssen mindestens drei Monate gespeichert werden, um vernünftig ermitteln zu können. Und drittens mehr Personal, konkret mehr Ermittelnde beim Bundeskriminalamt im Bereich des Online-Missbrauchs.“

Zu den Unterstützern der Petition gehören Einzelpersonen und etliche Verbände, etwa die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG), das Kolpingwerk, die Frauenrechtsorganisation Solwodi, der katholische Jugenddachverband BDKJ und Hildesheims Bischof Heiner Wilmer.

Sie alle unterstützen auch die konkrete Hilfe von Rhoy Dizon und ihrer Kinderschutzorganisation ANCE: „Wir machen vor allem die Kinder selbst stark und klären sie auf über ihren Körper und ihre Rechte. Denn nur so können sie sich selbst zur Wehr setzen und vor Missbrauch schützen.“

KNA