Pappfigur von Bola Tinubu, Spitzenkandidat des All Progressives Congress (APC), am 22. Februar 2023 in Lagos (Nigeria).
Bola Tinubu zum Sieger erklärt – doch es gibt Proteste

Der „Pate von Lagos“ steht künftig an Nigerias Staatsspitze

Lagos ‐ In Nigeria hat das zähe Warten ein Ende. Mit Bola Tinubu bleibt die Regierungspartei an der Macht. In seiner ersten Ansprache betont Tinubu, das Land wieder einen zu wollen. Doch das ist schwierig.

Erstellt: 01.03.2023
Aktualisiert: 01.03.2023
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Von Katrin Gänsler (KNA)

„Der Dank gilt Allah. Jetzt bin ich an der Reihe.“ Mit diesen Worten hat Bola Tinubu, Nigerias designierter neuer Präsident, am frühen Mittwochmorgen seine erste Rede begonnen. In den Stunden zuvor hatte die Wahlkommission INEC nach tagelangem Warten die Ergebnisse der höchst umkämpften Präsidentenwahl bekannt gegeben.

Tinubu, Kandidat der Regierungspartei All Progressives Congress (APC), erhielt 8,7 Millionen Stimmen. Er lag damit vor Atiku Abubakar von der People's Democratic Party (PDP) mit 6,9 Millionen Stimmen und dem Kandidaten der Labour Party (LP), Peter Obi (6,1 Millionen). Erstmals in Nigerias Geschichte hatte es einen Dreikampf um das höchste Amt gegeben. Die Beteiligung der rund 90 Millionen Wahlberechtigten lag bei 24 Prozent.

Tinubu betonte in seiner Rede, er wolle Nigeria nun einen. Das Land brauche jemanden, der eine Richtung vorgibt. Auch forderte er dazu auf, Ruhe zu bewahren. Viele Menschen seien unsicher, wütend und verletzt. An die Opposition gewandt, sagte er: „Politischer Wettbewerb muss jetzt politischer Schlichtung und integrativer Regierungsführung weichen. Während der Wahl wart ihr vielleicht meine Gegner - aber nie meine Feinde.“ Sollte die Opposition die Ergebnisse nicht akzeptieren, solle sie vor Gericht gehen, aber nicht auf die Straße.

Die beiden größten Oppositionsparteien haben bereits Neuwahlen gefordert. Die Wahlen seien nicht frei und fair gewesen, sagten die Kandidaten von PDP und LP in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Und die katholische Bischofskonferenz des Landes warnte, Nigeria stehe am Rande eines gefährlichen Abgrunds. Es müsse alles getan werden, um eine Krise zu vermeiden.

Wahlbeobachter stellen Unregelmäßigkeiten fest

Bereits am Dienstag hatte es Proteste vor mehreren Büros der Wahlkommission INEC gegeben. Nach Einschätzung der Opposition sowie von Wahlbeobachtermissionen hatte die Kommission die Ergebnisse vom Samstag nur mit großer Verzögerung auf die elektronische Plattform geladen. Auch gab es am Wahltag landesweit logistische Schwierigkeiten. Wahllokale öffneten teilweise mit Stunden Verspätung. Die Christliche Vereinigung Nigerias (CAN), Dachverband der christlichen Kirchen, erklärte: „Die INEC ist trotz vieler Zusicherungen bezüglich seiner Vorbereitung hinter den Erwartungen der Massen zurückgeblieben.“

Aufgrund von Gewalt wie dem Diebstahl von Wahlurnen, der Zerstörung von Unterlagen und Einschüchterungsversuchen konnte nicht in jedem Wahllokal gewählt werden. George Ehusani, katholischer Priester und Leiter der Lux Terra Leadership Foundation, forderte per Videobotschaft Neuwahlen überall dort, wo keine Wahlen stattgefunden hätten. Die Vorfälle gehen auf Banden von jungen Männern zurück. Wer sie finanziert, ist unklar. Es geschieht aber, dass Politiker sie einschalten bzw. versuchen, in Hochburgen des politischen Gegners Unruhe zu stiften und Menschen vom Wählen abzuhalten.

Ein Mann wählt in einem Wahllokal am 25. Februar 2023 für die Wahl des neuen Präsidenten sowie Senat und Repräsentantenhaus in Lagos (Nigeria).
Bild: © Katrin Gänsler/KNA

Ein Mann wählt in einem Wahllokal am 25. Februar 2023 für die Wahl des neuen Präsidenten sowie Senat und Repräsentantenhaus in Lagos (Nigeria).

Bola Tinuba tritt die Nachfolge von Muhammadu Buhari an, dessen Amtszeit am 29. Mai endet. In Nigeria ist der „Pate von Lagos“ ein politisches Schwergewicht und Königsmacher. In den 80er Jahren arbeitete der Geschäftsmann, der heute als reichster Politiker des Landes gilt, für verschiedene Firmen in Nigeria und den USA. Dass er ins Heroingeschäft verstrickt war, hat der 70-Jährige stets bestritten. Immer wieder wurde er mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert.

Von 1999 bis 2007 war Tinubu Gouverneur von Lagos und ließ unter anderem Programme zur Verbesserung der Lage der sogenannten Area Boys entwickeln: junge Männer, die ganze Viertel kontrollieren und Geld erpressen. In den Jahren danach wurde Tinubu zum Königsmacher und Strippenzieher im Hintergrund. Er baute unter anderem seinen Nachfolger als Gouverneur auf, Babatunde Fashola. Wie auch Vizepräsident Yemi Osinbajo, der selbst gerne Spitzenkandidat des APC geworden wäre. Auch finanzierte er frühere Wahlkämpfe von Amtsvorgänger Muhammadu Buhari und schaffte sich so zahlreiche loyale Gefolgsleute. Vor der Wahl gab es allerdings immer wieder Spekulationen über seinen Gesundheitszustand.

Bola Tinubu ist Muslim. Seine Frau Oluremi Tinubu ist derzeit noch Senatorin sowie Pastorin der Redeemed Christian Church of God, einer der größten Freikirchen im Land.

Die Wahl in Nigeria, wo sich die Hälfe der Bevölkerung zum Islam, die andere Hälfte zum Christentum bekennt, gilt als richtungsweisend für den ganzen Kontinent. Die Region hängt wirtschaftlich von Afrikas Riesenstaat mit 220 Millionen Einwohnern ab. Auch Unruhen könnten sich schnell auf die Nachbarländer auswirken. KNA

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