Kontinentale Phase des weltweiten synodalen Prozesses in Prag abgeschlossen
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„Mehr zu einer synodalen Kirche finden“

Kontinentale Phase des weltweiten synodalen Prozesses in Prag abgeschlossen

Nach mehrtägigen Beratungen ist heute in der tschechischen Hauptstadt Prag die kontinentale Phase des synodalen Prozesses in Europa zu Ende gegangen. Die deutsche Delegation zieht ein erstes Fazit.

Erstellt: 09.02.2023
Aktualisiert: 09.02.2023
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Die erste gesamt-europäische Versammlung der katholischen Kirche in Prag ist am Donnerstag mit der Verlesung des Entwurfs für ein Schlussdokument zu Ende gegangen. Der 20 Seiten lange Text soll in den kommenden Wochen von einem Redaktionsteam in eine endgültige Form gebracht werden. Bis dahin haben die teilnehmenden 39 Delegationen aus allen Teilen Europas Gelegenheit, Ergänzungs- und Formulierungsvorschläge zu machen.

In dem vorläufigen Entwurf, der nicht in schriftlicher Form verbreitet wurde, wurden sehr unterschiedliche Beiträge aus mehr als 40 Ländern zusammengetragen. Spannungen zwischen „konservativen“ und „progressiven“ Strömungen werden als solche offen benannt, ebenso die Verletzungen als Folge des Missbrauchsskandals. Enthalten sind auch divergierende Standpunkte zu Themen wie der Weihe von Frauen oder zur Inklusion von Varianten von Liebe und Sexualität, die der kirchlichen Morallehre nicht entsprechen.

Konkrete Vorschläge zur Überwindung dieser Gegensätze werden in dem Text nicht gemacht. Das Papier stellt jedoch weitgehenden Konsens darüber fest, dass die synodale Form des Beratens und Entscheidens in der Kirche weiterentwickelt werden sollte.

Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, sagte in einer ersten Reaktion im Plenum, dass es sich „um eine Bestandsaufnahme, aber noch nicht um eine Unterscheidung“ handle. Die Kirche befinde sich noch nicht in einem „neuen Pfingsten“, wie es das Papier behaupte. Der Schweizer Bischof Felix Gmür kritisierte den Text als zu vage und forderte eine klarere Benennung von Spannungen und Konflikten.

Beate Gilles (Podium l.), Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), moderiert während einer "Working Session" der Europa-Etappe der Weltsynode am 7. Februar 2023 in Prag (Tschechien).
Bild: © Björn Steinz/KNA

Beate Gilles (Podium l.), Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), moderiert während einer "Working Session" der Europa-Etappe der Weltsynode am 7. Februar 2023 in Prag (Tschechien).

Auch andere Redner forderten inhaltliche Präzisierungen und Weiterentwicklungen. Mehrere Sprecher aus Osteuropa forderten eine deutlichere Betonung der dogmatischen und moraltheologischen Positionen der katholischen Kirche.

Der Vorsitzende des Rates der europäischen Bischofskonferenzen und Erzbischof von Vilnius, Gintaras Grusas, erklärte, das vorläufige Papier habe trotz mancher Defizite seine persönlichen Erwartungen bei weitem übertroffen. Es zeige, dass der gemeinsame Weg Früchte trage. Der Generalrelator der Weltsynode, Kardinal Jean-Claude Hollerich, sagte zu, er werde die in Prag vorgebrachten Beiträge im Oktober in die Weltsynode in Rom einbringen.

Mehrfach wurde der Wunsch geäußert, ein gesamt-europäisches kirchliches Synodalformat künftig regelmäßig zu wiederholen. Offen blieb, ob die im Anschluss ebenfalls in Prag (bis Samstagabend) tagende Versammlung der europäischen Bischofskonferenz-Vorsitzenden einen eigenen Text vorlegen wird.

Die Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz dokumentiert das Fazit der deutschen Delegation:

Die Synodalversammlung der europäischen kontinentalen Etappe des weltweiten, von Papst Franziskus angestoßenen synodalen Prozesses, hat für uns viele Erkenntnisse gebracht. Wir konnten erfahren, wie sich die Kirche in den Ländern Europas auf den Weg macht, um mehr und mehr zu einer synodalen Kirche zu finden. Dieser Weg ist nicht einfach und er ist – vergleicht man die verschiedenen Wortbeiträge und Erfahrungen – von unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Auffassungen geprägt. Wir sind dankbar, dass wir insbesondere in den Gesprächen vor Ort und in begrenztem Umfang auch online Möglichkeiten hatten, unsere Erfahrungen des Synodalen Weges der Kirche in Deutschland in Prag mit einzubringen. Die gewählte Methodik des Zuhörens stößt allerdings an Grenzen, wenn es keine Möglichkeiten zu Resonanzen und zum Diskurs gibt.

In der kontinentalen Versammlung war es uns wichtig, an die notwendigen Veränderungen zu erinnern, die die Kirche braucht, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Es war uns ein Anliegen, die systemischen Ursachen von sexuellem Missbrauch ebenso ins Wort zu bringen wie die Präsenz und Beteiligungsmöglichkeit von Betroffenen sexualisierter Gewalt einzufordern. Wir hoffen, dass dies bei der Weltsynode in Rom geschieht. In den Diskussionen und dem vielen Gehörten haben wir oft große Unterstützung aus anderen Ländern gespürt. Dazu gehört in besonderer Weise die Frage nach der Beteiligung der Frauen in unserer Kirche. Deutlich wurde aber auch, dass es erhebliche Unterschiede zwischen Grundhaltungen bei uns und in Ländern mit anderen Kulturen gibt. Wir sind überzeugt, dass die kommenden Monate genutzt werden müssen, um weiter – europaweit – im Gespräch zu bleiben, einander besser zu verstehen und mit Argumenten zu überzeugen. Der Weg bis zur Synode im Oktober in Rom dauert noch einige Monate. Diese Zeit muss genutzt werden.

Das heute in Prag diskutierte Abschlussdokument der europäischen Versammlung (ein Redaktionsteam wird in den kommenden Wochen die finale Fassung erstellen) wiederholt in großen Teilen das eigentliche Vorbereitungsdokument des synodalen Prozesses, „Mach den Raum deines Zeltes weit; Jes 54,2“. Es ist gut, dass die Themen hier noch einmal genannt werden. So stellt das Abschlussdokument eine Protokollierung der Versammlung in Prag dar. Wie allerdings konkrete Fragen für die Kirche gelöst werden können, sagt das Dokument nicht. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, genau diese Fragen weiterhin zu stellen und im Dialog zu klären. Das Dokument lädt ein, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Wir sind schon jetzt gespannt, welche Abschlussdokumente die anderen kontinentalen Etappen des weltweiten synodalen Prozesses verfassen werden.

Als deutsche Delegation machen wir uns zu eigen, was an vielen Stellen angesprochen wurde. Synodalität zu leben, bedeutet, die Formen der Kommunikation und Partizipation mit allen Beteiligten zu vereinbaren und zu reflektieren. Papst Franziskus hat 2015 bei seiner Rede anlässlich des 50jährigen Bestehens der Bischofssynode an eine lang geübte Kommunikationsregel erinnert: Was alle betrifft, muss auch von allen zumindest beraten werden. Synodalität meint, nicht übereinander, sondern miteinander zu sprechen. Wir bedauern, dass Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben hier in Prag nicht ihre Lebensgeschichten erzählen konnten. Das gilt auch für die Betroffenen sexueller Gewalt und geistlichen Missbrauchs.

Offenkundig erleben und gestalten wir in Europa in den jeweiligen kulturell geprägten Kontexten die Wirklichkeit unterschiedlich, das heißt in Ungleichzeitigkeit und Dezentralität. Es bedarf auf weltkirchlicher Ebene der Klarheit und Transparenz, Vielfalt und Einheit neu zu vermitteln. An welchen Orten in welchen synodalen Strukturen künftig beraten und entschieden werden soll, gilt es neu zu entdecken. Wie wird Diversität als Reichtum erkannt, wo zerstören Gegensätze die Einheit? Wer entscheidet diesbezüglich und auf welche Weise? In den pastoralen Räumen Europas und der ganzen Welt stellen sich Zukunftsfragen mit hoher Dringlichkeit: partizipative gemeinschaftliche Leitungsstrukturen; neue missionarische Dienste und Ämter; Segensfeiern für Menschen in besonderen Lebenssituationen – und viele Herausforderungen mehr. Wir haben erfahren, dass in sehr vielen Ländern genau dieselben Themen wie auch in Deutschland mit hoher Dringlichkeit bedacht werden.

Das gilt auch für die Rolle der Theologie. Alle materialen und inhaltlichen Themen des synodalen Prozesses sind ohne Bezüge zur wissenschaftlichen Theologie nicht angemessen zu besprechen. Es gibt bei der universitären Ausbildung weltweit Standards, die auch für synodale Prozesse gelten. Es bedarf weiterer Anstrengungen, den internationalen Austausch der Theologien auch mit Blick auf ihre Methodik zu stärken. Ohne exegetisches Wissen und ohne Einsichten in die Hermeneutik der Auslegung historischer Dokumente finden wir nicht mehr zu Konvergenzen. Die Kirchengeschichte belegt: Eine kirchliche Lehre ohne angemessene theologische Begründung findet auf Dauer keine Rezeption.

Synodale Prozesse werden im Blick auf die angesprochenen Themenbereiche nur weiterführen, wenn nicht nur der interne Kreis der kirchennahen Menschen sich versammelt und miteinander spricht. Es bedarf der Fremdprophetie – des intuitiven Blicks auf die Wirklichkeit von Menschen, die sich nicht täglich in Räumen der kirchlichen Institution bewegen, ihr angehören und zur Loyalität verpflichtet sind.

In Prag haben wir erleben können, dass synodale Prozesse nicht einfach zu Ende sind. Wir brauchen mehr gemeinsame Zeit und wir brauchen wachsendes Vertrauen zueinander. Wir brauchen auf Dauer gestellte synodale Strukturen und internationale – auch europäische – Netzwerke. Synodalität zu leben, heißt: sich oft begegnen und einander Raum schenken. Dazu wird die Synodalversammlung vom 9.–11. März 2023 in Frankfurt ebenso dienen wie die Weltsynode im Oktober 2023 und 2024 in Rom. Wir wollen und müssen den Synodalen Weg weiter miteinander gehen.

Die Mitglieder der Delegation aus Deutschland:

Bischof Dr. Georg Bätzing, Dr. Irme Stetter-Karp, Prof. Dr. Thomas Söding, Dr. Beate Gilles, Kerstin Fuchs, Sr. Dr. Katharina Ganz OSF, Lisa Holzer, Hendrik Johannemann, Bischof Dr. Peter Kohlgraf, Prof. Dr. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Br. Andreas Murk OFMConv, Dr. Ralph Poirel, Prof. Dr. Johanna Rahner, Prof. Dr. Dorothea Sattler.

KNA

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