Kein Ende des Bürgerkriegs in Sicht

Zweiter Jahrestag des Putsches in Myanmar

Bangkok/Yangon  ‐ In Myanmar führt die Militärjunta seit Februar 2021 Krieg gegen das eigene Volk. Die Menschen wehren sich. Religiöse Unterschiede spielen dabei keine Rolle – anders als in einem Verband von Nachbarstaaten.

Erstellt: 27.01.2023
Aktualisiert: 31.01.2023
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Von Michael Lenz (KNA)

Der Krieg wandert Richtung Süden: An Myanmars Grenze zu Thailand liegen Dörfer und Stellungen des bewaffneten Widerstands gegen die Militärjunta unter Artilleriebeschuss. Armee-Einheiten der Untergrundregierung National Unity Government greifen ihrerseits Junta-Truppen mit Drohnen an. Zwei Jahre nach Beginn des Bürgerkrieg in Myanmar ist ein Ende des Konflikts nicht in Sicht.

Zumal die Kämpfe in den bisherigen Zentren der Auseinandersetzung - in den überwiegend christlichen Regionen Chin im Westen sowie Kachin und Kayah im Osten – unvermindert weitergehen. Ein weiterer Kriegsschauplatz ist Sagaing im Zentrum des Landes. Das hat die Junta kalt erwischt: Sagaing als Siedlungsgebiet der myanmarischen Mehrheitsethnie der Birmanen war jahrzehntelang die Hochburg des militaristisch-buddhistischen Nationalismus.

Von der Entschlossenheit der Myanmaren, die Junta und das Militär zu bekämpfen, zeigt sich der Gründer der christlichen Hilfsorganisation Free Burma Rangers (FBR), David Eubank, überrascht.  „Niemals zuvor in der Geschichte Myanmars hat es eine solche Einigkeit unter Religionen, Ethnien, Stämmen und Menschen aller gesellschaftlichen Gruppen gegeben“, sagt der FBR-Chef, dessen Organisation vor allem das unterdrückte Volk der Karen unterstützt.

Seit mehr als 75 Jahren kämpfen die ethnischen Völker Myanmars für ihre kulturelle, politische, religiöse und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Auf der anderen Seite steht das Militär, das seit dem ersten Putsch im Jahr 1962 fast ununterbrochen an der Macht ist. Die Armee wolle die Nation auf Basis der Werte und Traditionen des Buddhismus der Birmanen aufbauen, erklärt Militäranalyst Anthony Davis.  „Gegen diese Birmanisierung wehren sich die überwiegend christlichen ethnischen Völker der Chin, der Kachin, der Karen“, weiß der in Bangkok ansässige Experte.

Die Junta führt den Krieg gegen das Volk mit aller Härte. Die Luftwaffe bombardiert Dörfer, Bodentruppen haben seit dem Putsch Zehntausende Häuser niedergebrannt und begehen Massaker. Die Junta lässt ihre Truppen auch Kirchen und buddhistische Tempel angreifen, die Flüchtlinge beherbergen oder im Verdacht stehen, den Widerstand zu unterstützen. Einmal mehr verurteilten im Januar katholische Bischöfe die Angriffe auf Kirchen, darunter der Erzbischof von Yangon, Kardinal Charles Bo.

Die Wirtschaft Myanmars leidet massiv unter dem Konflikt, mehr als zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht. Die Versorgung der vielen Binnenvertriebenen mit humanitärer Hilfe ist schwierig bis unmöglich. In der Region Kayah hätten Hilfsorganisationen wie die Caritas zwar Zugang zu den Lagern im Dschungel, aber der Weg dahin sei für die Hilfskräfte gefährlich, sagt Pater Francis Soe Naing vom Bistum Loikaw.

Keine politische Lösung in Sicht

Eine politische Lösung für Myanmar zeichnet sich nicht ab. China und Russland halten ihre schützende Hand über die Junta und Russland ist einer der wichtigsten Waffenlieferanten. Westliche Staaten hingegen haben Sanktionen gegen hochrangige Militärs und Firmen aus dem militärisch-wirtschaftlichen Bereich Myanmars verhängt.

Auch die Nachbarländer zeigen sich gespalten. Da sind einerseits die mehrheitlich buddhistischen Mitglieder des südostasiatischen Verbands ASEAN: Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam haben sich offen auf die Seite des Militärregimes gestellt. Auf der anderen Seite fordern die überwiegend islamischen ASEAN-Länder Malaysia und Indonesien, das mehrheitlich buddhistisch-taoistische Singapur sowie die überwiegend katholischen Philippinen eine härtere Gangart gegen die Junta.

Seit Kurzem beschäftigt sich auch der Generalbundesanwalt in Deutschland mit dem Konflikt in Myanmar. Die Menschenrechtsorganisation Fortify Rights und 16 Einzelpersonen haben Strafanzeige gegen Juntageneräle wegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingereicht. Dass sie ihre Anzeige in Deutschland stellen konnten, hängt mit dem sogenannten Weltrechtsprinzip zusammen. Dieses ermöglicht einem Staat die Zuständigkeit für die strafrechtliche Verfolgung von Völkerstraftaten - auch wenn die Taten nicht auf seinem Hoheitsgebiet begangen wurden.

KNA