Kinder stärken, Kinder schützen
Aachen ‐ Die ALIT-Stiftung setzt sich in Indonesien für den Schutz von Kindern ein. Sie kümmert sich, unterstützt vom Kindermissionswerk, um Mädchen und Jungen, die aus unterschiedlichen Gründen gefährdet sind oder Opfer von Gewalt wurden.
Aktualisiert: 03.01.2023
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In großen Lettern steht der Titel des Liedes an der Tafel, das Gruppenleiterin Rahma mit den Kindern übt: „Ich schütze mich selbst.“ Lautstark singen die Jungen und Mädchen mit. Sie lachen und klatschen. Etwa zwanzig Kinder sind heute zum wöchentlichen Kinderschutz-Training im ALIT-Zentrum in der Stadt Surabaya zusammengekommen. Rahma achtet darauf, dass sich die Kinder wohlfühlen, denn es geht um sensible, ernste Themen. So handelt beispielsweise das Lied davon, ob andere Menschen einen anfassen dürfen, und wenn ja, welche Berührungen erlaubt sind. Die 22 Jahre alte Studentin ist eine von vielen sogenannten ALIT-Jugendbotschafterinnen und -botschaftern. Für die Jungen und Mädchen ist sie längst mehr als „nur“ ihre Gruppenleiterin: Rahma ist eine wichtige Bezugsperson geworden, der sich die Kinder anvertrauen. Einige Mädchen bezeichnen sie sogar als ihre große Schwester.
Gefahren identifizieren und vermeiden
In Liedern, Rollenspielen und Gesprächen vermitteln Rahma und die anderen Jugendbotschafterinnen und -botschafter den Kindern, wie sie sich schützen können: Sie bringen ihnen bei, Gefahren zu identifizieren und gefährdende Situationen zu vermeiden.
Die Jungen und Mädchen lernen, Nein zu sagen und ihre Bedürfnisse zu äußern. Und sie lernen ihre Kinderrechte kennen, besonders ihr Recht auf Schutz. Zwar gelten die Kinderrechte für alle Kinder weltweit gleichermaßen, in der Wirklichkeit werden sie jedoch vielfach verletzt – auch in Indonesien. „Die Zahl der Kinderrechtsverletzungen ist sehr hoch“, berichtet Yuliati Umrah, Direktorin und Mitgründerin der ALIT-Stiftung. „Allein zwischen 2015 und 2019 hat die Indonesische Kommission für Kinderschutz mehr als 1,5 Millionen Fälle registriert.“
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Dabei gibt es viele unterschiedliche Formen von Gewalt gegen Kinder. Einige Eltern beschimpfen ihre Kinder und schlagen sie sogar. „Das gehört zu unserer Kultur, so erziehen wir unsere Kinder, damit sie erwachsener werden und Verantwortung übernehmen“, begründen diese Eltern ihr Verhalten. Viele Erwachsene behandeln Kinder wie Objekte, sehen sie als Eigentum. Auch in der Schule kommt es häufig vor, dass Kinder von Lehrern geschlagen werden, etwa wenn sie eine Frage nicht beantworten können oder einen Fehler in den Hausaufgaben haben. Gewalt durch ältere Mitschülerinnen und Mitschüler sowie Mobbing gehören zum Alltag an indonesischen Schulen.
Auch durch Kinderarbeit kommt es in Indonesien häufig zu Kinderrechtsverletzungen, zum Beispiel in der Tabakindustrie, der Landwirtschaft oder im Tourismus. Beim sexuellen Missbrauch von Kindern belegt der asiatische Inselstaat weltweit den zweiten Platz. Zwar wurde die UN-Kinderrechtskonvention 2002 in die nationale Gesetzgebung aufgenommen, doch die Umsetzung läuft bisher nur schleppend.
Netzwerk für den Kinderschutz
„Equality for all children“, „Gleichheit für alle Kinder“ – ist in großen bunten Buchstaben auf dem Logo der ALIT-Stiftung zu lesen. Dafür setzt sich Yuliati Umrah zusammen mit ihrem Team seit über 20 Jahren ein.
Was 1996 als ehrenamtliches Engagement junger Studentinnen und Studenten begann, ist längst zu einem riesigen Netzwerk aus Fachkräften und freiwilligen Helferinnen und Helfern geworden. „Als ich mit meiner Arbeit begonnen habe, war Gleichheit für viele Menschen in Indonesien nur zwischen Erwachsenen denkbar, nicht für Kinder und unter Kindern“, sagt Yuliati Umrah. Täglich arbeitet das ALIT-Team daran, dies zu ändern und Kinder zu schützen.
ALIT setzt sich dafür ein, dass Kinder in Indonesien gesund und glücklich aufwachsen, sich gut entwickeln und dass ihre Rechte umgesetzt werden. Yuliati Umrah und ihr Team unterstützen besonders gefährdete Kinder: Jungen und Mädchen, die auf der Straße leben, und Kinder aus sehr armen Familien.
„Die Zahl der Kinderrechtsverletzungen ist sehr hoch. Allein zwischen 2015 und 2019 hat die indonesische Kommission für Kinderschutz mehr als 1,5 Millionen Fälle registriert.“
Die Organisation ist da, wo Kinder und ihre Familien Hilfe brauchen: in den Armenvierteln der Millionenstadt Surabaya genauso wie in entlegenen Regionen Indonesiens, wo Kinder keinen Zugang zu Bildung haben und vor allem Mädchen Frühverheiratung droht.
In touristischen Regionen wie der Insel Bali kümmert ALIT sich darum, dass Minderjährige nicht als Kinderarbeiter im Tourismus ausgebeutet oder Opfer von sexualisierter Gewalt werden.
„Stolz darauf, was die Kinder erreichen“
Aktuell unterhält die Stiftung zwölf Kinderzentren in den Provinzen Ostjava, Bali und Ost-Nusa Tenggara und arbeitet dort mit rund 1.400 Kindern.
„Wenn wir vor Gericht bei einem Fall von Kinderrechtsverletzungen gewinnen, macht mich das besonders stolz“, erzählt Yuliati Umrah. „Außerdem bin ich sehr stolz darauf, was die Kinder selbst erreichen. Zum Beispiel, wenn sie bei einem Sportwettbewerb gewinnen. Und wenn die Medien regelmäßig über unsere Arbeit berichten, freue ich mich auch.“
„Wenn wir vor Gericht bei einem Fall von Kinderrechtsverletzungen gewinnen, macht mich das besonders stolz.“
Oberstes Ziel von ALIT ist es, Kinder zu schützen und zu stärken. Dabei lernen die Mädchen und Jungen auch, ihre Bedürfnisse auszudrücken und ihre Rechte einzufordern. ALIT-Jugendbotschafterinnen und -botschafter wie Rahma treffen sich mehrmals wöchentlich mit den Kindergruppen an den verschiedenen Projektorten.
Kern ihrer Arbeit ist das umfangreiche Kinderschutz-Training, das ALIT selbst erarbeitet hat und regelmäßig weiterentwickelt. In Gemeinschaft lernen die Jungen und Mädchen, was sie stark macht: Zusammenhalt, Freundschaften, zuverlässige Beziehungen und ein respektvoller Umgang miteinander.
Sichere Spiel- und Lernorte
Die ALIT-Zentren bieten nicht nur Raum für Begegnung, sie sind auch sichere Spiel- und Lernorte für die Kinder.
Die Botschafterinnen und Botschafter helfen bei den Hausaufgaben und erklären den Umgang mit dem Computer. Als die Schulen in Indonesien während der Corona-Pandemie mehrere Monate geschlossen blieben, produzierten die ALIT-Teams 42 Lernvideos für die Kinder.
Das wöchentliche Sportprogramm fördert die körperliche Entwicklung der Jungen und Mädchen und stärkt den Teamgeist. Traditionelle Tänze und Musik vermitteln den Kindern die indonesische Kultur. Zudem können sie bei ALIT handwerkliche Fertigkeiten entwickeln und sich für eine gesunde Umwelt engagieren.
Die ALIT-Stiftung arbeitet auch mit Eltern, Lehrkräften und weiteren Bezugspersonen der Kinder und Jugendlichen und sensibilisiert sie für den Kinderschutz. Denn Kinder können zwar gestärkt werden, aber die Verantwortung für ihren Schutz liegt bei den Erwachsenen. Neben der überregionalen politischen Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit setzt sich ALIT in den Dorfgemeinschaften für die Stärkung von Kindern ein. Die Stiftung kooperiert mit der Industrie- und Handelskammer sowie mit verschiedenen Regierungsstellen.
Gemeinsames Ziel ist es, die Dörfer kinderfreundlich zu entwickeln. Gleichzeitig steht ALIT den Familien zur Seite und lädt regelmäßig zu Elterntreffen ein. Dort erfahren die Erwachsenen, wie sie die wirtschaftliche Situation ihrer Familien mit einfachen Mitteln verbessern können. Zur Elternarbeit gehört auch die Beratung in Erziehungsfragen und, bei Bedarf, Rechtsbeistand.
„Finden die Kinderrechtsverletzungen in der Familie statt, nehmen wir das Kind aus der Familie und bringen es in eine Schutzeinrichtung“, so Yuliati Umrah. „Ist der Täter eine außenstehende Person, müssen wir die ganze Familie schützen. Dann ist psychologische Hilfe wichtig, Beratung und Traumaarbeit. Gleichzeitig versuchen wir, die Opfer zu stärken, wenn es zu einem Gerichtsprozess kommt, bei dem sie noch einmal mit dem Erlebten konfrontiert werden.“
„Stoppt Kindesmisshandlung“
Jedes Jahr im November organisiert die ALIT-Stiftung in zahlreichen indonesischen Städten eine Kampagne: Unter dem Motto „Stop child abuse“ („Stoppt Kindesmisshandlung“) beteiligen sich daran inzwischen 36 Organisationen, Universitäten und zwei katholische Bistümer.
Sie gehen auf die Straßen und sammeln auf Plakaten farbige Handabdrücke, organisieren Gebete oder veranstalten Kindertreffen. „Mit unserer Kampagne wollen wir auch die indonesische Gesellschaft für das Thema Kinderschutz sensibilisieren“, sagt Yuliati Umrah. „Wenn Menschen sich für das Thema öffnen, ermutigen wir sie, sich selbst dafür zu engagieren.“
Infos & Material zur Sternsingeraktion 2023
Die Sternsingeraktion 2023 steht unter dem Motto „Kinder stärken, Kinder schützen – in Indonesien und weltweit“. Das Thema ist wichtig, weil die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass jährlich eine Milliarde Kinder und Jugendliche physischer, sexualisierter und psychischer Gewalt ausgesetzt sind. Das ist weltweit rund jedes zweite Kind. Das Kindermissionswerk informiert auf ganz verschiedene Weise darüber, wie Organisationen in Asien sich für Kinder und deren Schutz einsetzten. Zudem informieren die Sternsinger über ganz konkrete Fragen zum Dreikönigssingen:
- Was ist eigentlich das Dreikönigssingen?
- Wie organisiere ich eine Sternsingeraktion?
- Wie kann man online und digital spenden und spenden sammeln?
- Wo finde ich Lieder für Sternsingerinnen und Sternsinger?
- Wie werden die Sternsingerinnen und Sternsinger selbst geschützt?
- Wo gibt es liturgische Hilfen und Gottesdienstvorlagen für Dreikönig?
So helfen die Sternsinger
Unter dem Motto „Kinder stärken, Kinder schützen“ steht der Kinderschutz im Mittelpunkt der 65. Aktion Dreikönigssingen 2023. Weltweit setzen sich Sternsinger-Partner dafür ein, dass Kinder in einem sicheren Umfeld aufwachsen können, dass sie Geborgenheit und Liebe erfahren und ihre Rechte gestärkt werden. Auch der Schutz von Kindern vor Gefahren wie Gewalt und Vernachlässigung ist ein Kinderrecht. Partnerorganisationen der Sternsinger nehmen junge Menschen auf, die schlimme Erfahrungen gemacht haben. Kinder und Jugendliche, die körperliche, seelische oder sexualisierte Gewalt erfahren mussten, werden psycho-sozial betreut und begleitet.
In Sternsinger-Projekten lernen Kinder auch, ihre Bedürfnisse auszudrücken. Denn nur, wenn sie ihre Rechte kennen, können sie diese auch einfordern. Auch Erwachsenen vermitteln Projektpartner die Kinderrechte. Nur Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Eltern, Seelsorgerinnen und Seelsorger, die wissen, wie wichtig die Umsetzung elementarer Rechte – einschließlich des Rechts auf Schutz – für die ihnen anvertrauten jungen Menschen ist, können dafür eintreten.
Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘