Gasförderung (Symbolfoto)
Deutschland will Gas aus Senegal – Gefahr für die Umwelt

Lohnendes Projekt oder Beispiel für Neokolonialismus?

Dakar/Berlin ‐ Eine Initiative der Bundesregierung in Sachen Energieversorgung steht weiter in die Kritik. Die Förderung von Gas aus Senegal für Deutschland könnte die Zukunft von Tausenden senegalesischen Fischern gefährden.

Erstellt: 21.12.2022
Aktualisiert: 20.12.2022
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Von Katrin Gänsler (KNA)

Aus deutscher Sicht klingt es verlockend: 2015 wurden vor den Küsten Senegals sowie Mauretaniens große Gasvorkommen entdeckt, an deren Erschließung sich Deutschland gerne beteiligen möchte. Wegen des Kriegs in der Ukraine und seiner politischen Folgen ist der Zugang zu Erdgas und Öl schwieriger denn je. Und bereits bei seiner Afrika-Reise Ende Mai bemerkte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Senegals Hauptstadt Dakar: Es sei sinnvoll, solche Kooperationen „intensiv zu verfolgen“.

Grande Tortue Ahmeyim heißt das Großprojekt. Entstehen soll bis Ende 2023 ein Terminal für Flüssiggas – mit einer Laufzeit von 20 Jahren. Nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) haben die Gasfelder ein Produktionspotenzial von 425 Milliarden Kubikmetern. Mitunter werden die Reserven auf bis zu 1.400 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Betreiber und Hauptinvestor BP geht von einer jährlichen Produktion von rund 2,5 Millionen Tonnen Flüssiggas aus.

Aktuell erarbeitet die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) neue Leitlinien für die Finanzierung von Öl- und Gasprojekten für ihr Eigengeschäft, die schwerwiegende Konsequenzen haben. „Die neue Finanzierungsleitlinie öffnet der Förderung fossiler Öl- und Gasprojekte Tür und Tor“, kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Das verstoße gegen die Zusage der Bundesregierung bei der Glasgow-Klimakonferenz, die Förderung von Gas- und Ölprojekten im Ausland zum Jahreswechsel zu beenden. Nach Angaben des katholischen Hilfswerks Misereor würden die Leitlinien entsprechende Vorhaben bis September 2024 ermöglichen, auch wenn sie nicht mit Klimaschutzzielen kompatibel sind.

Für die Leiterin der Abteilung Politik und globale Zukunftsfragen bei Misereor, Kathrin Schroeder, ist die Symbolwirkung eines solchen Abkommens verheerend. Lokale Partner setzten sich oftmals gegen Widerstände in ihren Ländern für erneuerbare Energien ein. Deutschland müsse sich daher „unmissverständlich für eine Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien starkmachen“. Besonders die Länder des Globalen Südens benötigten die langfristige Perspektive, eine nachhaltige Entwicklung auf Basis erneuerbarer Energien gestalten zu können, ohne die fossilen Lager auszuschöpfen, so Schroeder.

Förderung fossiler Ressourcen verstärkt Konflikte

Eine Partnerschaft mit Senegal klingt jedoch verlockend. Das Land ist politisch stabil, Terrormilizen aus dem benachbarten Mali haben es bisher nicht angegriffen, und Präsident Macky Sall, seit 2012 an der Macht, gilt als verlässlicher Partner. Claus-Dieter König, Leiter des Westafrika-Büros der Linke-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung, gibt indes zu bedenken: „Auch Senegal ist nicht konfliktfrei.“ Die Förderung fossiler Brennstoffe habe bereits in vielen Ländern Konflikte verstärkt.

Wird nun vor Saint-Louis im Nordwesten Senegals Gas gefördert, wird das die Arbeit Tausender Fischer beeinträchtigen. Gewässer würden verschmutzt und Fangverbote verhängt. In der handwerklichen Fischerei haben laut König bis heute 86.000 Personen Arbeit, 700.000 weitere hängen indirekt von ihr ab. „Fisch ist als Exportprodukt auch Nahrungsmittel- und Proteinquelle für ganz Westafrika“, so der Experte. Bereits in den vergangenen Jahrzehnten hätten viele Fischer wegen überfischter Meere ihr Einkommen verloren. König geht zudem davon aus, dass die Einnahmen aus der Gasförderung nicht der heimischen Bevölkerung zugutekommen.

Aktivist Yero Sarr, der in Dakar die Fridays-for-Future-Proteste organisiert, wirft afrikanischen Regierungen vor, keine Klimapolitik-Leitlinien zu haben. „Es gibt nicht einmal eine Debatte darüber.“ Auch er meint, dass Senegal nicht vom Flüssiggas-Terminal profitieren werde. Projekte wie diese gefährdeten stattdessen Arbeitsplätze und Gesundheit. „Der Kontinent leidet“, so der Senegalese. Er sieht in dem Großprojekt lediglich ein Beispiel für Neokolonialismus, das unbedingt verhindert werden müsse. kna