Deutschkurs für Frauen in einer ehemaligen Schule in Mainz Weisenau. Die Frauen drücken die Schulbank im Klassenzimmer.
Gemeinsame Gestaltungsaufgabe

Kirchen fordern mutigere Migrationspolitik

Brüssel ‐ EKD und Deutsche Bischofskonferenz fordern in einem gemeinsamen Papier, Migration menschenwürdig zu gestalten. In Brüssel wurde der Text nun einem internationalen Publikum vorgestellt. Dabei zeigte sich: Er kann in der aktuellen Debatte Orientierung bieten.

Erstellt: 01.12.2022
Aktualisiert: 01.12.2022
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Die großzügige Aufnahme ukrainischer Kriegsvertriebener ist aus Sicht von Kirchenvertretern ein Beleg für die Möglichkeit einer anderen Asylpolitik in Europa. Der Schutz von Geflüchteten könne gelingen, wenn es den politischen Willen gebe, sagte die Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der EU, Katrin Hatzinger, am Dienstagabend in Brüssel. Der katholische Erzbischof und Flüchtlingsbeauftragte Stefan Heße warb für bessere Integration und Einbürgerungsmöglichkeiten. Anlass war eine Diskussionsrunde zum Papier „Migration menschenwürdig gestalten“, das die EKD und die katholischen Bischöfe im Oktober 2021 gemeinsam veröffentlichten und das nun auch als Übersetzung ins Englische vorliegt.

Heße, Vorsitzender der Migrationskommission und Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz, verlangte, Einwanderungsländer wie Deutschland sollten sich aktiv um eine Kultur der Einbürgerung bemühen. „Gleiche Würde muss auf Dauer eine realistische Option auf gleichberechtigte Teilhabe am politischen Gemeinwesen beinhalten“, sagte der Hamburger Erzbischof. Mit Blick auf aktuelle Krisen und Konflikte wandte Heße sich dagegen, ungelöste globale Probleme auf dem Rücken von Flüchtlingen und Migranten auszutragen.

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Daher erinnerte er an das Ziel des Migrationswortes: Gerade unter schwierigen und widersprüchlichen Bedingungen wolle es, so Heße, Orientierung bieten – sowohl für kirchliches als auch für politisches Handeln. Es gelte, Migration nicht als Bedrohung, sondern als gemeinsame Gestaltungsaufgabe wahrzunehmen. Bei der Vorstellung der unterschiedlichen Themenfelder des Migrationswortes hob der Erzbischof insbesondere einige sozialethische Leitprinzipien hervor: „die Überzeugung, dass Gott alle Menschen mit gleicher Würde geschaffen hat, und das Gebot, nicht nur den Nächsten, sondern auch den Fremden zu lieben. Die Missachtung der Menschenwürde und die Verweigerung von Schutz im Angesicht ernster Gefahren lassen sich durch keine Grenze rechtfertigen. Wenn wir uns die verzweifelte Lage der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer, an der Grenze zu Belarus oder auf dem Balkan ansehen, hat dieser Grundsatz eine klare politische Bedeutung.“

„Gleiche Würde muss auf Dauer eine realistische Option auf gleichberechtigte Teilhabe am politischen Gemeinwesen beinhalten.“

—  Zitat: Erzbischof Stefan Heße

Oberkirchenrätin Hatzinger betonte, angesichts einer „katastrophalen Lage“ von Flüchtlingscamps an den EU-Außengrenzen setzten sich die Kirchen nachdrücklich für spürbare Verbesserungen ein. Nötig sei ein „solider und nachhaltiger Mechanismus für eine faire Verantwortungsteilung“. Es dürfe nicht vergessen werden, dass Solidarität eine rechtlich bindende Verpflichtung nach den EU-Verträgen sei. Die Union werde die „humanitäre Krise an ihren Außengrenzen“ nicht lösen können, wenn sie sich nicht auf einen fairen Mechanismus zur Aufnahme und Wiederansiedlung von Geflüchteten verständige.

Mit Blick auf den von den EU-Innenministern im Juni vereinbarten Solidaritätsmechanismus verwies Hatzinger auf die Kritik einer christlichen Arbeitsgruppe zur EU-Flüchtlings- und Migrationspolitik. Diese beanstandete neben einem Übermaß an Bürokratie das „bizarre Konzept einer Rückkehrpatenschaft“. Die Kirchen könnten selbstverständlich kein System befürworten, das Solidarität mit Hilfe zur Abschiebung gleichstelle.

Im Sommer 2018 hatten die Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und die Kammer für Migration und Integration der EKD eine Ökumenische Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des neuen Migrationswortes der Kirchen gebildet. Das von der Arbeitsgruppe erstellte Dokument wurde im Oktober 2021 veröffentlicht, seit dem 22. November 2022 liegt nun neben der englischsprachigen Fassung („Shaping Migration in a Humane Manner“) auch eine zweisprachige Zusammenfassung des Migrationswortes vor.

dr/weltkirche.de/kna/dbk

Ökumenisches Grundlagenwort herunterladen

Die Downloadlinks zum gemeinsamen Wort der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland finden Sie auf unserer Themenseite Migration.