Four young adults protest with signs against pollution outside an illegal open landfill in Africa.
Afrika vor dem Klimagipfel

„Reiche Staaten ignorieren ihre historische Verantwortung“

Pretoria ‐ In Afrika argumentieren zahlreiche Politiker, der Kontinent habe ein Anrecht auf das gleiche fossile Wachstum wie Europa und Nordamerika. Doch es gibt auch Initiativen, die eine andere Energie- und Klimapolitik fordern – und auf Europas Verantwortung pochen.

Erstellt: 03.11.2022
Aktualisiert: 07.11.2022
Lesedauer: 

Im Sahel tobt ein Kampf um die letzten Ressourcen, in Ostafrika ächzt die Bevölkerung unter dürrebedingtem Hunger. Unterdessen erholen sich Länder im Süden des Kontinents immer noch von den wirtschaftlichen Folgen von Zyklonen und Überflutungen. Afrika ist wie kein anderer Erdteil von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Entsprechend groß sind dort die Hoffnungen an die UN-Klimakonferenz COP27, die am Sonntag (6. November) in Ägypten beginnt. Allerdings: Die Erwartungen Afrikas und Europas gehen teils gravierend auseinander.

Mit dem ägyptischen Scharm El-Scheich als Austragungsort tagt die „Conference of Parties“ der UN-Klimarahmenkonvention ab Sonntag zum fünften Mal auf afrikanischem Boden. Für Afrika und andere Entwicklungsregionen steht die Finanzierung im Mittelpunkt: für Anpassungsmaßnahmen an klimatische Veränderungen, für den Umstieg auf erneuerbare Energien – und neuerdings auch für Entschädigungen für „loss and damage“, also bereits angerichteten Schaden.

„Historische Verantwortung“ ignoriert

Mosambik etwa musste nach dem verheerenden Tropensturm 2019 für den Wiederaufbau einen Kredit aufnehmen. „Es ist klar, dass die Klimakrise keine Gefahr der Zukunft ist, sondern akute Realität, und dass sie Menschen im Globalen Süden am härtesten trifft“, sagte im Oktober Liberias frühe Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf. Sie verlangt eine „für Afrika wirksame COP“.

Weit davon entfernt bewegt sich die gegenwärtige Klimafinanzierung, wie Südafrikas Umweltministerin Barbara Creecy bei Vorgesprächen zu COP27 anprangerte. Ihr zufolge hätten afrikanische Staaten die Anpassung an den Klimawandel bislang „überwiegend aus eigener Tasche“ bezahlt. Grund sei das unerfüllte Versprechen von Industrienationen, für diesen Zweck bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar an ärmere Länder abzugeben. Durch die Nichterfüllung dieser Zusagen hätten reiche Staaten ihre „historische Verantwortung“ ignoriert, so Creecy.

Afrika ist mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern für weniger als vier Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dennoch, so mahnte im September der US-Klimasondergesandte John Kerry bei einem Klimagipfel im Senegal, sei es unfair, Industriestaaten allein in die Verantwortung zu nehmen. So verurteilte Kerry Staaten, die „mit dem Finger auf andere zeigen“, statt selbst zu handeln – eine indirekte Spitze gegen die Forderungen der Entwicklungsländer.

Manche Beobachter in Afrika kritisierten neben Kerrys Ansicht auch den Kurs einiger europäischer Staaten; vor allem in der Energiekrise. Sie beobachten zähneknirschend, wie Deutschland seine Kohlekraftwerke reaktiviert und Norwegen seine Gasproduktion steigert, obwohl europäische Länder den Nachbarkontinent weiter zu einer Energiewende drängen. „Das ist Heuchelei auf höchstem Level. Man kann nicht das eine fordern, aber selbst etwas anderes tun“, so Saliem Fakir, Direktor der African Climate Foundation (ACF) in Kapstadt.

Tansania und Uganda bauen Rohöl-Pipeline

Tatsächlich wollen etliche afrikanische Länder vorerst an fossilen Brennstoffen festhalten. Nur durch Gas, Öl und Kohle habe der Westen seine globale Vormacht erreicht, argumentieren Politiker in Afrika. Ihr Kontinent habe ein Anrecht auf den gleichen Aufschwung wie Europa und Nordamerika. Dafür brauche der Kontinent, auf dem nur jeder zweite Bewohner an das Stromnetz angeschlossen ist, eilig Energie.

Deutlich wurden die unterschiedlichen Meinungen im Streit um die East African Crude Oil Pipeline (Eacop), einer geplanten Ölleitung zwischen Uganda und Tansania. Die EU kritisierte das Projekt im September aus Sorge über Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung. Trotzdem halten Tansania und Uganda an der 1.400 Kilometer langen Pipeline fest. Schließlich gehe es um Entwicklung.

Die Umweltaktivistin Vanessa Nakate (Fridays for Future)
Bild: ©  Paul Wamala Ssegujja, „Vanessa Nakate“, Beschnitt von dr, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Doch Klimaexperte Fakir kauft das Argument nicht: Die Förderung fossiler Brennstoffe als „Geld- und Wachstumsquelle“ sei langfristig weder im Interesse Afrikas noch des Planeten. „Wir müssen die Wende daher strategisch betrachten; als Werkzeug für wirtschaftlichen Wandel und gleichzeitig für den Aufbau einer kohlenstoffarmen Zukunft.“

Dafür bräuchten die ärmsten Länder der Welt aber finanzielle Hilfe statt noch mehr unverbindlicher Zusagen. Klimaaktivistin Vanessa Nakate aus Uganda ist überzeugt: „Nicht am versprochenen Geld“ werde sich der Erfolg von COP27 messen, sondern an „echtem Geld“. Es zähle einzig, was für Anpassung, Schadensminderung und Reparationen für Umweltkatastrophen auf den Tisch gelegt wird.

Von Markus Schönherr (KNA)