Guatemalas Ex-Diktator wird der Prozess gemacht

Guatemalas Ex-Diktator wird der Prozess gemacht

Die wohl wichtigste Verhandlung in der Justizgeschichte Guatemalas begann am Montag Ortszeit um exakt 11.09 Uhr. 142 Zeugenaussagen, 126 Zertifizierungen, 84 Stellungnahmen und 61 Gutachten hatte Richter Miguel Angel Galvez im Verlauf der Anhörung geprüft, ehe er die Entscheidung verkündete, auf die das Land gewartet hatte: Ex-Diktator Jose Efraín Ríos Montt wird wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Prozess gemacht.

Erstellt: 30.01.2013
Aktualisiert: 15.11.2022
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Die wohl wichtigste Verhandlung in der Justizgeschichte Guatemalas begann am Montag Ortszeit um exakt 11.09 Uhr. 142 Zeugenaussagen, 126 Zertifizierungen, 84 Stellungnahmen und 61 Gutachten hatte Richter Miguel Angel Galvez im Verlauf der Anhörung geprüft, ehe er die Entscheidung verkündete, auf die das Land gewartet hatte: Ex-Diktator Jose Efraín Ríos Montt wird wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Prozess gemacht.

Nach Ansicht des Gerichts liegen ausreichend stichhaltige Beweise und Aussagen vor, die ein Gerichtsverfahren rechtfertigen und damit eine Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels des 36-jährigen Bürgerkrieges in Guatemala (1960–1996) ermöglichen. Der blutige Konflikt zwischen vier linken Guerillaorganisationen und der guatemaltekischen Regierung kostete insgesamt 200.000 Menschen das Leben.

Montts Schreckensherrschaft

Durch einen Militärputsch kam Ríos Montt im März 1982 an die Macht. Seine Amtszeit dauerte nur 15 Monate – doch bis August 1983 war der heute 86-Jährige für eine Schreckensherrschaft verantwortlich, die selbst im brutalen guatemaltekischen Bürgerkrieg ihresgleichen suchte.

Die Vorwürfe gegen den als „Schlächter der Indios“ bezeichneten Ex-Diktator sind gewaltig: Einem UN-Bericht zufolge machten Ríos Montts Schergen 448 Dörfer dem Erdboden gleich. Konkret wird ihm die Verantwortung für ein Massaker an 1.770 Indigenen in der Provinz Quiche im Norden des Landes angelastet. Vor allem die Gewalt gegen die indigenen Bevölkerungsgruppen hat die internationale Aufmerksamkeit auf die monatelange Anhörung in Guatemala gelenkt.

Richterspruch mit Spannung erwartet

Schon am frühen Morgen hatten sich zahlreiche Angehörige von Opferfamilien vor dem Justizgebäude versammelt, um gemeinsam mit Menschenrechtsaktivisten den Richterspruch abzuwarten. Zu einer langen Bilderkette aufgereihte Fotos zeigten Gesichter von Menschen, die bis heute vermisst werden. Im überfüllten Gerichtssaal waren die wenigen Zuschauerplätze fast ausschließlich von Maya-Angehörigen besetzt.

Für die Verteidigung Ríos Montts ist ausgerechnet ein ehemaliger Guerilla-Kämpfer zuständig. Rechtsanwalt Danilo Rodriguez, der 22 Jahre lang mit der Waffe in der Hand gegen Regierungstruppen stritt, nimmt den Ex-Diktator gegen die erdrückenden Zeugenaussagen in Schutz. Montt habe von den Massakern nichts gewusst, erklärte er. Bereits vor Monaten war Montt mit einem Antrag auf Amnestie gescheitert.

Kampf gegen kommunistische Guerilla-Verbände

Ríos Montt ist eine der schillerndsten, umstrittensten Figuren der politischen Landschaft Guatemalas. Einst als Präsidentschaftskandidat eines Mitte-Links-Bündnisses gescheitert, kämpfte er später mit Rückendeckung der USA gegen kommunistische Guerilla-Einheiten. Weil er die Maya beschuldigte, die Guerilla-Verbände zu unterstützen, mussten Tausende Indigene ihr Leben lassen.

Auch als Pastor und Prediger für eine evangelikale Sekte war Ríos Montt aktiv. Einer in Guatemala verbreiteten Legende nach heißt es, er sei im März 1982 während einer Bibelstunde von Soldaten aufgefordert worden, sich an die Spitze der Militärjunta zu stellen. Es begann eine Schreckensherrschaft, ehe rivalisierende Militärs ihn an der Spitze des Staates ablösten.

Chance für Opfervereinigungen und Menschenrechtler

Bis vor kurzem genoss Ríos Montt als guatemaltekischer Abgeordneter parlamentarische Immunität. Sie bewahrte ihn davor, sich der Verantwortung für die Gräueltaten stellen zu müssen. Doch nachdem er nicht wiedergewählt wurde, schöpften Opfervereinigungen und Menschenrechtler die Hoffnung, dass er sich doch noch für seine Vergangenheit rechtfertigen müsse. Die Weichen dafür sind gestellt. Die Aufarbeitung der blutigen Geschichte Guatemalas kann beginnen.

Von Tobias Käufer