
„Ich war glücklich, bevor der Bergbau in mein Leben kam“
Indigene ‐ Zum internationalen Tag der indigenen Völker richtet das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat seinen Blick auf die Not des Volkes der Wayuu im Nordosten Kolumbiens. Im Jahr 2001 kam der Bergbau in die Provinz der Wayuu - und raubte ihnen die Lebensgrundlage.
Aktualisiert: 07.08.2015
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Indigene Völker stehen für so viele Ansätze eines alternativen Lebens - das ist eine ungemeine Bereicherung“, sagt Thomas Wieland, Leiter der Abteilung für Hilfsprojekte bei Adveniat. Doch in allen Ländern Lateinamerikas seien die Lebensformen der Ureinwohner bedroht, fast immer durch die Profitgier großer Wirtschaftskonzerne.
Anlässlich des Internationalen Tages der indigenen Völker am 9. August richtet das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat den Blick auf die Not des Volkes der Wayúu im Nordosten Kolumbiens, dem im Interesse der Industrie buchstäblich das Wasser abgegraben wird. „Wir müssen den Lebensraum der Wayúu, der für sie überlebenswichtig ist, unbedingt bewahren. Gerade mit dem Blick auf multinationale Konzerne sind wir auch in Deutschland für die Zukunft der Ureinwohner Lateinamerikas mitverantwortlich“, betont Wieland.
„Ich war glücklich, bevor der Bergbau in mein Leben kam“, sagt Maritza de la Cruz. Der Bergbau kam 2001 in die Provinz Guajira im äußersten Nordosten Kolumbiens – er raubte vielen Menschen in der Region die Lebensgrundlage, und Maritza raubte er sogar ihr Kind. „Ich habe einen Sohn bei der Räumung unserer Gemeinde verloren. Ich habe das Gefühl, dass mir das Bergbau-Unternehmen das Herz herausgerissen hat“, sagt Maritza weinend. Sie ist eine der Protagonistinnen im Dokumentarfilm „Bergbauorgie“ des Entwicklungshelfers André Maukisch, der die verheerende Situation der Menschen in La Guajira dokumentiert und den Blick auch in die kolumbianische Chocó-Region sowie in die Andengegend Páramo richtet. Diese sind ebenfalls vom Raubbau an Mensch und Natur betroffen.

Wer im Weg steht, muss weichen
Wer den Plänen von Bergbau-Unternehmen im Weg steht, muss weichen – wie in vielen Regionen Lateinamerikas ist das auch in Kolumbien gängige Praxis. Nicht selten riegelt privates Sicherheitspersonal ganze Gegenden ab, der Staat hält sich heraus. Darüber hinaus leiden die Menschen unter den immer länger dauernden Dürrephasen. All das hat besonders im Nordosten Kolumbiens, abseits von den Blicken der Weltöffentlichkeit, eine humanitäre Krise ausgelöst. Leidtragende sind vor allem die Angehörigen des indigenen Volks der Wayúu, das in der Provinz La Guajira an der Grenze zu Venezuela lebt.
2006 wurde in der Region La Guajira mit dem Bau von „El Cercado“ begonnen, einem Staudamm am Oberlauf des Flusses Río Ranchería, der Lebensader der Wayúu. Der Staudamm sollte die Wasserversorgung der größeren Städte in der Provinz Guajira verbessern, so der ursprüngliche Plan. Den Wayúu hätte das wenig genutzt, denn sie leben vor allem auf dem Land. Davon abgesehen wird das Wasser des aufgestauten Flusses inzwischen zur Bewässerung agro-industrieller Reis-Monokulturen abgezweigt – und vor allem für die Bergbau-Industrie in der Region. Die versprochenen Aquädukte, die unter anderem den Wayúu dienen sollten, wurden nie angeschlossen.
Der überlebenswichtige Zugang zum Wasser des Río Ranchería wird den Wayúu von einer Privatarmee verwehrt. Im Februar 2015 wurde bei der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte eine Eingabe für den Schutz der Bevölkerung in La Guajira eingereicht – das hat bislang noch keine Lösung ergeben. Viele Wayúu führen unterdessen ein Leben am Existenzminimum, ohne Zugang zu Wasser. In den vergangenen drei Jahren sind Schätzungen von Hilfswerken zufolge rund 5.000 Kinder verdurstet, etwa 35.000 Menschen in der Guajira leiden an Unterernährung: Zahlen, die von der kolumbianischen Regierung in Frage gestellt werden. In ihrer Not fliehen viele Wayuú in die größeren Städte und enden dort in den Slums.
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