
Unzufriedener Menschenrechtsbeauftragter
Politik ‐ Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, hat sein Amt abgegeben. Sein Rücktritt ist auch ein Zeichen des Protests - in einer Zeit, in der Menschenrechtler die schlechte Lage weltweit und in Deutschland beklagen.
Aktualisiert: 25.02.2016
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Er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht: In seinem Rücktrittsgesuch erklärte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), wie viel Kraft ihn Mandat und Amt gekostet hätten. Doch offenbar kostete Strässer auch die Asylpolitik der Regierung Kraft. Dem Asylpaket II, das heute im Bundestag beschlossen wurde, wollte er laut Berichten aus Parteikreisen nicht zustimmen. Nun soll seine Nachfolgerin und Parteigenossin Bärbel Kofler für die Menschenrechte sprechen. Am Mittwoch bestätigte das Kabinett die Ernennung der 48-Jährigen.
Angesichts der „zunehmenden Herausforderungen insbesondere im Bereich der humanitären Hilfe“ könne er Mandat und Amt nicht mehr zu eigenen Zufriedenheit erfüllen, zitierte Strässer auf Facebook aus seinem Brief an Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Der 66-jährige Wahl-Münsteraner sitzt seit 2002 im Bundestag. Die Menschenrechtspolitik wurde für den Juristen früh zu einem Schwerpunktthema. Erst in der Partei, dann im Namen der Bundesregierung.
Strässer hat sich in seiner Zeit als Menschenrechtsbeauftragter in zahlreichen Fällen für die Freilassung inhaftierter Aktivisten stark gemacht, etwa im Iran oder in Saudi-Arabien. Außenminister Steinmeier betonte, dass Strässer den Menschenrechten eine wahrnehmbare Stimme verliehen habe und sein Einsatz für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, vor und hinter den Kulissen, in vielen Einzelfällen Schutz und Erleichterungen gebracht habe.
Strässer sieht aktuelle Asylpolitik der Bundesregierung kritisch
Doch Rücktritt und Neubesetzung kommen just in einer Woche, in der Amnesty International auch Deutschland ein schlechtes Menschenrechtszeugnis ausstellt. Die Bundesregierung verliere bei ihrem krampfhaften Versuch, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren, die Menschenrechte aus dem Blick, beklagte die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, Selim Caliskan. Das zeige sich vor allem beim geplanten Asylpaket II.

Genau das sieht Strässer offenbar auch kritisch. In einem Schreiben an die SPD-Mitglieder in seinem Wahlkreis Münster nannte er auch die aktuelle Asylpolitik der Regierung als Grund für den Rückzug. Es zeichneten sich auch in seinem Arbeitsfeld, vor allem bei der Flüchtlingspolitik, politische Entscheidungen ab, „die für mich nur schwer vereinbar sind mit meinen eigenen Positionen und meiner eigenen Glaubwürdigkeit“, heißt es in dem Schreiben.
Mehrfach hatte er in den vergangenen Jahren die wachsende Notwendigkeit humanitärer Hilfe weltweit angemahnt und auf vergessene Krisen hingewiesen. Kritisch sah er Überlegungen wie die Einrichtung von Schutzzonen in Afghanistan. Es sei eine „absurde Idee, von innerstaatlichen Fluchtalternativen auszugehen“, erklärte er Ende Dezember. Am Mittwoch meldete nun das Bundesinnenministerium, dass die ersten 125 ausreisepflichtigen Afghanen in ihre Heimat zurückgebracht würden.
Die Rolle des Menschenrechtsbeauftragten ist sichtlich keine einfache. Zwar ist er unabhängig, doch sein Tätigkeitsfeld beschränkt sich darauf, Missstände in anderen Staaten anzuprangern – in der Hoffnung, dass es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Offenbar wird auch innerhalb der SPD über Zukunft und Zuschnitt des Amtes diskutiert, wie „Spiegel online“ meldete.
Nachfolgerin Kofler ab 1. März im Amt
Strässer selbst erklärte am Dienstag im SWR-Interview, die Neigung, das Amt als eine Art Alibi-Rolle zu sehen, sei „vielfach spürbar“. Er könne „aber nur dazu raten, gegen diese Tendenz anzukämpfen“. Für die Zivilgesellschaften anderer Länder, die in ihrer Arbeit immer stärker eingeschränkt würden, sei diese Stimme aus Deutschland besonders wichtig.
Seine Nachfolgerin Kofler, die seit 2004 im Bundestag sitzt, bringt vor allem Erfahrungen aus der Entwicklungszusammenarbeit mit und sitzt in zahlreichen Kuratorien, darunter bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Hilfswerk CARE. Die Aufgabe sei für sie überraschend gekommen, aber sie sehe gute Möglichkeiten, sich in ihrer neuen Funktion aktiv in die Menschenrechtspolitik einzubringen, sagte Kofler am Mittwoch in Berlin bei ihrer Vorstellung im Auswärtigen Amt.
Die 48-Jährige wird ab 1. März die Nachfolge von Strässer antreten. Dieser erklärte zum Abschied, er wünsche seinen Nachfolgern, dass sie als Menschenrechtsbeauftragte Rückgrat zeigten, „auch wenn es manchmal wehtut“.
Von Anna Mertens (KNA)
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