
Kolumbien: FARC und Regierung einigen sich auf Friedensabkommen
Kolumbien ‐ Die Friedensgespräche zwischen FARC-Rebellen und der kolumbianischen Regierung sind erfolgreich zu Ende gegangen. Menschenrechtler und Friedensaktivisten jubeln. Doch eine wichtige Hürde muss bei dem komplizierten Friedensprozess noch überwunden werden.
Aktualisiert: 25.08.2016
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Vor vier Jahren elektrisierte die Aufnahme der Friedensverhandlungen zwischen der linksgerichteten Guerilla-Organisation FARC und der kolumbianischen Regierung die Menschen in dem leidgeprüften Land. Nach zähen Verhandlungen mit einigen Krisen und Rückschlägen sind die weltweit beachteten Gespräche nun abgeschlossen. Beide Seiten einigten sich auf ein Abkommen, das den Übergang vom Krieg zum Frieden, aber auch in eine gerechtere Gesellschaft ebnen soll.
„Historisch. Regierung und FARC einigen sich auf Abkommen“, titelte Kolumbiens größte und wichtigste Tageszeitung „El Tiempo“. Und das Nachrichtenmagazin „Semana“ schrieb: „Historisch: Mission erfüllt.“
Von der medialen Euphorie rund um den erfolgreichen Abschluss der Gespräche ist auf den Straßen des Landes aber noch nicht viel zu spüren. Nach mehr als einem halben Jahrhundert Bürgerkrieg mit fast 300.000 Toten und sechs Millionen Binnenflüchtlingen fällt es den Kolumbianern schwer, Vertrauen zu fassen zu einem neuen Gesellschaftsentwurf. Zu oft wurden sie von falschen Versprechungen enttäuscht. Von Guerilla-Bossen und Armee-Generälen, die von Frieden sprachen, aber weiter töteten.
Zudem gilt es, noch eine weitere Hürde zu nehmen. „Jetzt kommt es darauf an, alle politischen Kräfte auf ein positives Referendum zu richten. Die Gewalt in Kolumbien muss ein Ende haben. Mehr als 300.000 Helden und Gräber sind genug“, sagte der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für den Friedensprozess in Kolumbien, Tom Königs, am Mittwoch.
Kirche steht hinter dem Friedensschluss
Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages, die in etwa drei Wochen stattfinden soll, muss das kolumbianische Wahlvolk noch zustimmen. Die katholische Kirche steht geschlossen hinter einem „Ja“ für den Friedensprozess. Daran gibt es auch Kritik. Der bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen unterlegene erzkonservative Oscar Ivan Zuluaga aus dem Lager des oppositionellen ehemaligen Präsidenten Alvaro Uribe forderte Calis Erzbischof Dario de Jesus Monsalve auf, auch jene zu respektieren, die nicht einverstanden seien mit dem ausgehandelten Abkommen. Vor allem Straferleichterungen und Straffreiheit für Guerilla-Kämpfer lehnt das Uribe-Lager ab: „Ein ungerechter Frieden kann kein Frieden sein“, sagte Uribe jüngst.
Mit dem Abkommen gehen für Präsident Juan Manuel Santos zermürbende Verhandlungen zu Ende. Entführungen und Feuergefechte stellten die Gespräche zwischenzeitlich auf eine harte Probe, doch die Ankündigung des bilateralen Waffenstillstandes und das Absinken der Mordrate auf ein historisch niedriges Niveau machten deutlich, welche Chance in dem Friedensprozess steckt.
Nun steht eine Debatte über das Dokument bevor, dessen Inhalt heftig diskutiert werden wird. Es folgen die Unterschriftszeremonie und schließlich das Referendum. Eine Zustimmung beim Urnengang gilt als wahrscheinlich. Einer der ältesten bewaffneten Konflikte der Welt ginge dann zu Ende.
Von Tobias Käufer (KNA)
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Reaktionen auf den Abschluss der Friedensverhandlungen
Adveniat
Das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat zeigte sich hoffnungsvoll mit Blick auf das erfolgreich ausgehandelte Friedensabkommen. „Nach fünfzig Jahren Krieg und Gewalt können die Menschen in Kolumbien jetzt auf eine friedliche Zukunft hoffen“, so der Adveniat-Hauptgeschäftsführer Prälat Bernd Klaschka am Donnerstag in Essen.
Die Kolumbien-Referentin des Hilfswerks, Monika Lauer Perez, unterstrich die wichtige Rolle der Kirche während der vier Jahre dauernden Friedensverhandlungen im kubanischen Havanna. Die von der Kolumbianischen Bischofskonferenz eingerichtete Nationale Versöhnungskommission, die von Adveniat unterstützt werde, sei in dieser Zeit häufig die einzige Institution gewesen, der alle Seiten vertraut hätten: die Regierung, die Rebellen – und die mehr als acht Millionen registrierten Opfer.
„Nach dem großen Erfolg am Verhandlungstisch braucht es jetzt viele kleine und große Versöhnungsinitiativen bei den Menschen vor Ort“, erklärte Adveniats Kolumbien-Expertin Monika Lauer Perez. Damit in den verschiedenen Regionen Versöhnung möglich werde, sollten die Täter die Verantwortung für ihre Verbrechen öffentlich eingestehen – noch bevor die Justiz von sich aus tätig werde. Wie das Hilfswerk erklärte, sei die katholische Kirche von Regierung und Guerilla gebeten worden, diese Akte zu begleiten. Auch die Versöhnungsarbeit werde vor Ort von Adveniat unterstützt.
Misereor
Das katholische Entwicklungshilfswerk Misereor begrüßte den Abschluss der Friedensverhandlungen als einen unverzichtbaren „Meilenstein auf dem langen Weg zu einem alle Teile der Gesellschaft umfassenden dauerhaften Frieden“, so der Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel am Donnerstag in Aachen.
Zugleich warnte der Chef des Hilfswerks vor zu schneller Euphorie. Auf dem Weg zu dauerhaftem Frieden seien noch viele Hindernisse zu beseitigen. „Denn weil ehemalige Paramilitärs und kriminelle Banden versuchen, den Drogenanbau und -handel sowie den illegalen Handel mit Gold zu kontrollieren, und voraussichtlich einige Kämpfer der Guerilla sich nicht dem Friedensprozess anschließen, könnte es auch zu einer Intensivierung bestimmter Konflikte kommen“, warnte Spiegel.
Mit Blick auf die geplante Volksabstimmung zum Friedensabkommen zeigte sich der Misereor-Hauptgeschäftsführer noch skeptisch. Während der Friedensprozess im Ausland große Zustimmung und Unterstützung gefunden habe, müsse die Mehrheit der kolumbianischen Bevölkerung erst noch von den Vorteilen der Vereinbarung überzeugt werden.
Aus Sicht von Misereor-Chef Spiegel wisse ein Großteil der Bevölkerung wenig über den Inhalt des Friedensabkommens und sei daher für populistische Parolen empfänglich. Eine der wichtigsten Aufgaben der Kirche sowie anderer Misereor-Partner bestehe darin, die Kolumbianer über den Inhalt der Vereinbarung in einer verständlichen und einfachen Sprache zu informieren, mahnte Spiegel.
Deutsche Menschenrechtskoordination Kolumbien
Die Organisationen der Deutschen Menschenrechtskoordination Kolumbien begrüßten am Donnerstag die Einigung der Verhandlungspartner. „Trotz sehr unterschiedlicher Positionen sind die kolumbianische Regierung und die FARC-Guerilla in zentralen Themen übereingekommen. Dazu gehören die ländliche Entwicklung, politische Teilhabe, der Umgang mit den Opfern des Konflikts, die Übergangsjustiz sowie der Drogenanbau und -handel“, erklärte Albert Recknagel, Vorstandssprecher von terre des hommes. „Besonders begrüßen wir auch die Übereinkünfte zum Austritt unter 15-jähriger Kindersoldaten aus den Reihen der FARC und ihre Wiedereingliederung in die zivile Gesellschaft“, ergänzte Recknagel.
Eine zentrale Bedrohung für den Frieden gehe laut Ansicht von Oliver Müller, Leiter von Caritas international, von den paramilitärischen Gruppen und ihren Unterstützerkreisen im Land aus. Es werde keinen dauerhaften Frieden in Kolumbien geben, wenn der Staat nicht gezielt gegen diese vorgehe. „Die wachsende Präsenz dieser bewaffneten Gruppen stellt eine große Gefahr für Organisationen der Zivilgesellschaft dar“, so Müller.
Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel berichtete von vermehrten Übergriffen gegen Aktivisten sozialer Bewegungen in Kolumbien. Davon seien auch vielfach Partner deutscher Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen betroffen. Spiegel forderte daher die Bundesregierung dazu auf, gegenüber der kolumbianischen Regierung eine Garantie für den Schutz dieser Organisationen einzufordern. (lek)