
Adveniat-Chef Klaschka begrüßt Friedensabkommen in Kolumbien
Kolumbien ‐ Nach mehr als 50 Jahren Bürgerkrieg ist das neue Friedensabkommen in Kolumbien nun unter Dach und Fach: Das Parlament billigte am Mittwoch den überarbeiteten Friedensvertrag zwischen Regierung und FARC-Guerilla. Adveniat-Chef Bernd Klaschka ordnet das neue Abkommen ein und erklärt die nächsten Schritte auf dem Weg zum Frieden in Kolumbien.
Aktualisiert: 02.12.2016
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Frieden herrscht in Kolumbien zwar noch nicht, ist aber nun wenigstens möglich. Davon ist Prälat Bernd Klaschka, Leiter des deutschen katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, überzeugt. Am Mittwochabend hat das kolumbianische Parlament dem neuen Friedensabkommen zwischen Regierung und FARC-Rebellen zugestimmt. Einen Tag zuvor hatte der Senat dem Abkommen bereits seinen Segen gegeben.
Vor wenigen Wochen hatte das kolumbianische Volk einer ersten Fassung des Friedensabkommens eine Absage erteilt. Regierung und FARC-Rebellen mussten in Folge dessen noch einmal nachverhandeln. Was neu ist an dem überarbeiteten Abkommen, erklärt Adveniat-Chef Klaschka im Interview mit Radio Vatikan.
Klaschka: Bei dem neuen Abkommen, das erarbeitet worden ist, wurden mehr als 500 Änderungsvorschläge diskutiert. Einige von diesen sind in die jetzt verabschiedete Fassung aufgenommen. Ein wichtiger Punkt zum Beispiel ist, dass die FARC sämtliche Vermögenswerte offenlegen muss und diese für die Entschädigung der Opfer eingesetzt werden. Das war in dem vorherigen Abkommen nicht der Fall.
Auch ist die kostspielige Finanzierung, um das Abkommen umzusetzen, eindeutig als Teil des Staatshaushalts deklariert. So ist es inzwischen auch verabschiedet. Weiterhin muss man sehen, dass in dem Friedensvertrag die rechtlichen Voraussetzungen für die Zukunft geschaffen worden sind, wie man mit den FARC-Rebellen umgeht. Hier gibt es keine große Veränderung, sondern die ursprüngliche Fassung ist bestätigt worden.
Frage: An der ersten Version des Friedensabkommens wurde zum einen die integrierte Steuerreform kritisiert und zum anderen die Zugeständnisse an die Rebellen mit Blick auf ihre Bestrafung für Menschenrechtsverletzungen. Sind die Kritiken nun weniger geworden?
Klaschka: Bezüglich der Bestrafung der FARC-Guerilla wurde nichts Wesentliches geändert. Allerdings müssen die Rebellen nun ihr eigenes Vermögen zur Entschädigung der Opfer einsetzen. Die Steuerreform ist jetzt in den Staatshaushalt integriert worden. Der Staat muss nun sehen, wie er diesen Friedensprozess mit einer Steuerreform finanziert.
Frage: Ist Frieden nun in Sicht?
Klaschka: Ich glaube, dass jetzt Frieden in Kolumbien möglich ist. Man hat mit diesem Abkommen einen Meilenstein erreicht und das ist eine gute Grundlage, um die Wunden des Krieges zu heilen bzw. neue Wege zu gehen, damit ein friedliches Zusammenleben der Kolumbianer möglich ist. Ohne dieses Friedensabkommen wäre die Gefahr, dass man zurückfällt in kriegerische Auseinandersetzungen, bedeutend größer.
Frage: Der Innenminister spricht im Zusammenhang mit dem neuen Abkommen von einem Beweis der Demokratie, aber müsste er dafür nicht erst wieder das Volk befragen? Kritiker behaupten ja, man unterwandere den Volkswillen nun.
Klaschka: Nein, ich glaube nicht, dass man den Volkswillen unterwandert. Das Parlament ist Ausdruck des Volkswillens. Im Parlament gibt es eine große Zustimmung für dieses Friedensabkommen – sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat. Bei der Abstimmung ist fast eine Dreiviertelmehrheit erreicht worden. Das Volk muss auch das Parlament ernst nehmen und als Institution der Demokratie respektieren. Ich glaube, die demokratischen Institutionen sind dadurch gestärkt worden. Das ist eigentlich ein Hoffnungszeichen für die Zukunft der Demokratie in Lateinamerika. Denn das Nein der Bevölkerung hat zunächst zu einem breiten gesellschaftlichen Dialog geführt, der dann eingemündet ist in die Debatte im Parlament.
Frage: Auf der anderen Seite warnen die Vereinten Nationen nun vor neuen terroristischen Gruppen in den von der FARC verlassenen Regionen Kolumbiens. Ist diese Warnung gerechtfertigt?
Klaschka: Die Warnung an sich ist gerechtfertigt. Neue terroristische Gruppierungen könnten nicht nur von links, sondern auch von rechts entstehen oder auch Paramilitärs. Der Frieden ist jetzt möglich, aber er ist noch nicht erreicht. Dafür braucht man einen langen Atem. Es ist gut, diese Gefahrenquellen für den Frieden zu benennen, um ihnen auch begegnen zu können.
Frage: Was sind denn die nächsten Schritte für Kolumbien, um solchen Entwicklungen vorzubeugen und um wirklich Frieden ins Land zu bringen?
Klaschka: Die Regierung plant beispielsweise, in den Regionen der FARC und den Gebieten, in denen es diese gewaltsamen Auseinandersetzungen gegeben hat, die Kirche zu bitten, die verfeindeten Gruppen zusammenzuführen. Adveniat wird auch in Zukunft diese Initiativen unterstützen. Insbesondere werden auch jetzt schon Pfarrer geschult, damit sie einen friedlichen Prozess im Dialog mit den verfeindeten Gruppen vor Ort an der Basis realisieren können. Es ist wichtig, dass man jetzt an die Basis zu den Menschen kommt.
Mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC-Rebellen ist die Wahrscheinlichkeit gewachsen, dass Papst Franziskus im kommenden Jahr Kolumbien besuchen wird. Er hatte ein gelingendes Friedensabkommen als Bedingung für seinen Besuch genannt.
© Radio Vatikan