Don Bosco Forum 2017 - Jugendliche zwischen Ausgrenzung und Teilhabe
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Don Bosco Forum 2017 - Jugendliche zwischen Ausgrenzung und Teilhabe

Jugend ‐ Beim Don Bosco Forum 2017 am Samstag in Bonn ging es um die Ausgrenzung von Jugendlichen. Salesianer aus Indien und Palästina berichteten über ihre Arbeit und auch Jugendliche diskutierten mit - unter anderem über die Gefahr der Radikalisierung.

Erstellt: 28.01.2017
Aktualisiert: 30.01.2017
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Beim Don Bosco Forum 2017 haben sich am Samstag in Bonn hunderte junge und alte Mitglieder der Don Bosco Einrichtungen weltweit, Interessierte sowie Vertreter aus Politik und Gesellschaft getroffen, um über die Ausgrenzung von Jugendlichen zu diskutieren. „Wir als Don Bosco wollen Jugendliche aus dem Abseits holen“, betonten die Geschäftsführer, Christian Osterhaus von Don Bosco Mondo und Nelson Penedo von Don Bosco Mission Bonn.

„Es gilt, die Energien dieser jungen Leute für etwas Gutes zu nutzen“

—  Zitat: Pater Vincent Raj, stellvertretender Direktor der Salesianereinrichtung in Bethlehem
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Zum Don Bosco Forum kamen auch die Teilnehmer der Internationalen Jugendbegegnung der Don Bosco Mission, die von 23. bis 30. Januar in Bonn zusammengekommen war. Dort hatten an die 40 Jugendliche aus Europa und dem Nahen Osten unter anderem über das Thema Radikalisierung von jungen Menschen diskutiert. Lesen Sie hier die Eindrücke von Sara aus Italien und Rami aus Palästina.

Straßenkinder in Indien - eine Kultur der Ausgrenzung

Pater Thomas Koshy SDB weiß, was soziale Ausgrenzung von Jugendlichen heißt. Etwa 10 Millionen Kinder leben in seiner Heimat Indien auf der Straße. Für sie setzt sich der 66-jährige Salesianer seit Jahrzehnten ein und berichtete beim Don Bosco Forum über seine Arbeit.  Er ist der tiefen Überzeugung, dass jedes Straßenkind das Potenzial hat, aus seiner Situation herauszukommen.

Das größte Hindernis aber, so Koshy, sei das gesellschaftliche System selbst: „Indien ist eine Kultur der Ausgrenzung“, sagt er. Das Kastensystem der hinduistischen Mehrheitsgesellschaft sieht eine strikte Trennung gesellschaftlicher Schichten vor, und die untersten, besonders die sogenannten Unberührbaren, sind von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen. Sie dürfen keine Tempel betreten und nur niedere Arbeiten wie Toilettenreinigung und Müllentsorgung verrichten.

Eine riesige Mauer zwischen Straßenkindern und der Gesellschaft

Zwar gibt es viele staatliche Schulen, in denen die Kinder der Unterschicht lernen können, aber auch dort herrscht Diskriminierung, etwa in der Kantine, wenn die Teller der „Unberührbaren“ beiseite gestellt werden, weil man sie nicht anfassen will. „Die Ausgrenzung beginnt schon von Kindesbeinen an, das Kastendenken liegt den Menschen sozusagen im Blut“, sagt Pater Koshy. Hinzu kommt, dass der Staat diese öffentlichen Schulen oft vernachlässigt, sodass manchmal wochenlang keine Lehrer anwesend sind.

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So sind einige der Kinder aus der Unterschicht, die Pater Koshy bei seiner Arbeit getroffen hat, von den Schulen weggelaufen und wurden zu Straßenkindern. Ein Teufelskreis, denn als Straßenkinder erfahren sie erst recht Ausgrenzung: „Für die Gesellschaft haben sie keinen Wert“, so Koshy. Die Kinder leben zum Teil als Müllsammler, was sie automatisch zu „Unberührbaren“ macht, weil man zu ihnen lieber Abstand halten will. „Es gibt eine riesige Mauer zwischen den Straßenkindern und der Gesellschaft“, sagt der 66-jährige Salesianerpater. Zwar hat es in den vergangenen Jahren zahlreiche Bemühungen auch in der Politik gegeben, die Situation der Straßenkinder zu verbessern und ihre Anzahl nimmt nach Aussage des Salesianers auch leicht ab. Dennoch sind die gesellschaftlichen Strukturen schwer zu durchbrechen.

Genau hier setzt die Arbeit von Don Bosco an: Thomas Koshy ist Direktor des Don Bosco National Forum for the Young at Risk (YAR) mit Sitz in Neu Delhi. Das Netzwerk koordiniert die Arbeit von 84 Don Bosco Einrichtungen landesweit, die Straßenkinder resozialisieren, Kinderarbeiter aus Fabriken holen und erfolgreich junge Menschen in Ausbildung und Arbeit vermitteln, die aufgrund ihrer Herkunft und Ethnie ausgegrenzt werden.

Dazu gehören auch Schulen, die besonders die armen Kinder fördern wollen sowie erweiterte Lernprogramme. Ein aktuelles Projekt ist zudem der Aufbau von zehn kinderfreundlichen Städten, damit Kinderarbeit abgeschafft, die Gewalt gegen Kinder unterbunden und Kinderrechte gestärkt werden. Die Arbeit trägt Früchte: Hunderte der Straßenkinder, denen Pater Koshy in den vergangenen Jahrzehnten begegnet ist, haben den Weg aus der Armut geschafft, sind Ingenieure, Medizintechniker oder auch Sozialarbeiter. „Man kann jedes Kind zum Leuchten bringen! Es muss nur die Chance dazu erhalten!“, sagt Pater Thomas Koshy.

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Mit Mahatma Gandhi gegen Radikalisierung – ein Salesianer in Bethlehem

Ein Mitbruder und Landsmann von Pater Koshy lebt in einer ganz anderen Wirklichkeit, ist aber ebenso mit starker Ausgrenzung konfrontiert: Pater Vincent Raj ist stellvertretender Direktor der Salesianereinrichtung in Bethlehem und Jugendpastoral-Beauftragter der Salesianer im Heiligen Land. Der 39-jährige Inder kam 2006 nach Bethlehem und arbeitet seit 2014 in der Don Bosco Einrichtung.

Neben einer Bäckerei, die unter anderem während der letzten Intifada 2002 bis zu 30.000 Brotlaibe kostenlos verteilte, betreiben die Salesianer in Bethlehem auch eine Technische Schule mit 150 Studenten und eine Berufsschule mit 150 Schülern, ein Kunsthandwerkszentrum und ein Jugendzentrum. Täglich kommen hier an die 350 junge Menschen zusammen, ein großer Teil von ihnen sind palästinensische Muslime sowie Christen unterschiedlicher Konfessionen. Ihr Zusammenleben beschreibt der Salesianer Vincent Raj wie einen Tanz auf dem Vulkan – „man weiß nie, wann er ausbricht“.

Isoliert sind die jungen Menschen hier allein schon durch das politische System: Entlang der Stadt verläuft die israelische Sperranlage, die sie von Jerusalem und damit oft auch von Familienmitgliedern trennt. „Bethlehem gleicht einem Gefängnis, wenn die Menschen etwa für eine Beerdigung nach Jerusalem wollen, müssen sie erst die Genehmigung beantragen.“ Das Misstrauen insbesondere palästinensischen Jugendlichen in Bethlehem gegenüber sei so groß, dass Fächer wie Physik und Chemie etwa nur bis zu einem bestimmten Niveau studiert werden können – man könnte die Kenntnisse ja sonst für den Bau einer Bombe nutzen…

„Es gilt, die Energien dieser jungen Leute für etwas Gutes zu nutzen“

—  Zitat: Pater Vincent Raj, stellvertretender Direktor der Salesianereinrichtung in Bethlehem
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Auch bei den Jugendlichen in Palästina liegt der Knackpunkt bei der Schulbildung – 1.500 Jugendliche brechen im Jahr die Schule ab, sie haben Mühe bei der hohen Arbeitslosigkeit einen Job zu finden und leben mit umgerechnet 400 Euro im Monat am Existenzminimum. Viele rutschen ab in die Kriminalität, Gewalt und Radikalisierung.  Genau hier setzt die Arbeit der Salesianer an. „Es gilt, die Energien dieser jungen Leute für etwas Gutes zu nutzen, damit sie nicht in Gewalt und Gesetzlosigkeit umschlagen. Es mangelt den Jugendlichen ja nicht an Talenten, sondern an Möglichkeiten, diese zu entfalten“, sagt Pater Vincent Raj. Vorbild bei seiner Arbeit gegen Hass und Radikalisierung ist die Philosophie der Gewaltlosigkeit des Mahatma Gandhi.

Die beste Form, diese Energien der Jugendlichen positiv zu kanalisieren, ist in Pater Vincents Augen der Sport. Hier können sich die Jugendlichen abreagieren und gleichzeitig ein Gemeinschaftsgefühl über religiöse Grenzen hinweg entwickeln. Auch die Musik heile Wunden, ist der Salesianerpater überzeugt, schließlich seien viele der jungen Palästinenser traumatisiert. Zwei Mal in der Woche steht in der Salesianereinrichtung auch ein Psychologe zur Verfügung.

Ziel muss es auch sein, mehr mit anderen Nichtregierungsorganisationen vor Ort zusammenzuarbeiten. „Wir Salesianer können nicht helfen, indem wir uns einkapseln“, findet der Pater.

Das Hauptziel ist es für Vincent Raj, den Jugendlichen in dieser gespannten Lage wieder ein positives Bild der Gesellschaft zu vermitteln. Papst Franziskus habe bei seinem Besuch in Bethlehem die Mauer berührt – und damit die Herzen aller Menschen, seien es Christen, Juden oder Muslime. „Junge Menschen sollten keine Mauern in ihren Herzen haben“, so Pater Vincent.

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