Theologen in Italien fordern Bischofswort zu Migrationspolitik
Italien ‐ Rund 100 italienische Geistliche, Theologen und katholische Laien haben die Bischöfe des Landes zu einem klaren Wort in der Migrationsdebatte aufgerufen. Vor dem Hintergrund wachsender Ablehnung, Fremdenangst und rassistischer Haltungen in Italien sollten die Hirten klarstellen, „auf welcher Seite ein Christ immer und überall zu stehen hat“, heißt es in einem gemeinsamen Brief, aus dem die katholische Tageszeitung „Avvenire“ zitiert.
Aktualisiert: 13.09.2022
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Zu den Unterzeichnern gehören demnach die Leiterin des Netzwerks katholischer Theologinnen in Italien, Cristina Simonelli, der nationale Pax-Christi-Vorsitzende Renato Sacco und der frühere Herausgeber der Jesuitenzeitschrift „Civilta Cattolica“, Bartolomeo Sorge.
Besorgt schreiben die Autoren, ein Klima der Intoleranz gegenüber Migranten verbreite sich selbst unter Vertretern der staatlichen Institutionen. Dabei würden auch religiöse Symbole wie Kreuz und Rosenkranz benutzt, um eine Stimmung gegen Migranten zu schüren. Bislang hätten sich nur wenige der rund 240 Mitglieder der Italienischen Bischofskonferenz zu Wort gemeldet, hieß es.
Neben dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti aus Perugia, hatten sich auch die Kardinäle von Genua und Florenz, Angelo Bagnasco und Giuseppe Betori, für eine humane Flüchtlingspolitik ausgesprochen. Kritisch gegenüber dem Regierungskurs äußerten sich unter anderen Turins Erzbischof Cesare Nosiglia, Erzbischof Matteo Zuppi von Bologna und jüngst Erzbischof Corrado Lorefice von Palermo.
Ungewöhnlich deutlich hat sich Bischof Mario Grech des maltesischen Bistums Gozo in der Migrationsfrage an katholische Gläubige gewandt: Die Eucharistie verliere „ihre gesamte Bedeutung und Wirkung, wenn die Armen ignoriert und gedemütigt werden“, schrieb Grech in einem Hirtenbrief, der am Wochenende in allen Gemeinden seines Inselbistums verlesen wurde. Man könne nicht in der Messe „Christus das Herz öffnen und es zugleich vor denen verschließen, die leiden“, zitierte der italienische bischöfliche Pressedienst SIR aus dem Schreiben.
Grech bezog sich dabei auf die „Migranten, die aus dem einen oder anderen Grund auf der Suche nach einer besseren Zukunft ihre Heimat verlassen“. Für die Herausforderungen der Migration gebe es keine einfachen Lösungen, räumte der 61-Jährige ein. „Aber bewegt vom Wort Gottes und vom Beispiel unseres Herrn Jesus Christus, glaube ich, dass wir als gläubige Gemeinschaft nicht still und gleichgültig bleiben können angesichts dieser Tragödie, die unser Land und die Europäische Union betrifft“, so der Geistliche.
Palermos Erzbischof Corrado Lorefice warnte derweil vor einer Durchsetzung nationaler Eigeninteressen in der europäischen Migrationspolitik. Wenn man das gemeinsame Haus zerstöre, stünden am Ende alle ohne Dach da, erklärte der Oberhirte der sizilianischen Hauptstadt laut dem bischöflichen Pressedienst SIR. Dies sei „die Kurzsichtigkeit des politischen Egoismus“.
Abschottung gegenüber Flüchtlingen und Migranten sei eine „gefährliche Illusion“, so Lorefice. Eine Zivilisation, in der es normal sei, dass der eine lebe, weil der andere sterbe, sei „dem Ende nah“. Wenn Europa seine Häfen schließe, scheitere es mit seiner Humanität, seinem Lebenswillen und seinem Wunsch nach Gemeinschaft.
An der Not in Afrika gab der 55 Jahre alte Erzbischof den westlichen Staaten eine Mitschuld. Sie hätten über Jahrzehnte die Ressourcen des Kontinents ausgebeutet, Marionettenregierungen am Leben erhalten und Konflikte gefördert. Damit habe man das Leben von Millionen Menschen zerstört und zwinge sie auszuwandern, um nicht zu sterben, so Lorefice.
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