Einer Äbtissin wird wegen Kirchenasyls der Prozess gemacht

Einer Äbtissin wird wegen Kirchenasyls der Prozess gemacht

Kirchenasyl ‐ Eine Äbtissin als Angeklagte - das ist etwas Neues, zumindest für die bayerische Justiz. Am 31. Juli muss sich eine Benediktinerin dafür verantworten, dass sie eine junge Asylbewerberin in ihre Obhut genommen hat.

Erstellt: 21.07.2020
Aktualisiert: 17.05.2024
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Mutter Mechthild Thürmer (62), Äbtissin des oberfränkischen Benediktinerinnenklosters Kirchschletten, muss sich wegen der Gewährung von Kirchenasyl vor Gericht verantworten. Allerdings wurde die für 31. Juli angesetzte Hauptverhandlung vor dem Bamberger Amtsgericht am Montag abgesagt, wie ein Gerichtssprecher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mitteilte.

Mutter Mechthild Thürmer ist eine resolute Frau, die sich nicht so schnell einschüchtern lässt. Mehr als 30 Mal hat sie Asylbewerberinnen in ihrem Kloster im oberfränkischen Kirchschletten schon Unterschlupf gewährt. Nun sollte sie erstmals dafür eine Geldstrafe zahlen. Weil sie sich weigert, ist sie vor dem Amtsgericht Bamberg angeklagt.

Der Hauptverhandlungstermin wurde allerdings am Montag nach ersten Medienveröffentlichungen kurzfristig abgesagt. Der Richter wolle ein mögliches weiteres Verfahren gegen dieselbe Beschuldigte abwarten, sagte ein Gerichtssprecher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am späten Nachmittag.

„Ich habe aus christlichem Geist gehandelt“, sagt die 62-jährige Äbtissin. „Einem Menschen in Not konkret zu helfen, kann keine Straftat sein.“ Im Herbst 2018 entschied sie, in ihrem Konvent eine junge Eritreerin aufzunehmen, die nach Italien abgeschoben werden sollte. „Dort hätte das junge Mädchen unter Brücken schlafen müssen und wäre Vergewaltigung und Zwangsprostitution ausgesetzt gewesen“, sagt die Ordensfrau. „Das konnte ich nicht hinnehmen.“ Überdies, wenn dadurch auch noch eine Familie auseinandergerissen würde.

Der Ehemann der Afrikanerin hat einen gültigen Aufenthaltstitel für Deutschland, die beiden haben ein Baby, die Schwangerschaft begann im Kirchenasyl. Nachdem Deutschland inzwischen ins Asylverfahren eingetreten ist, konnte die Eritreerin am 18. November 2019 aus dem Kloster wieder entlassen werden. So steht es in den Akten der Benediktinerin.

Ihr Prozess könnte von grundsätzlicher Bedeutung werden. Ist die Gewährung von Kirchenasyl eine strafbare „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“, wie es Staatsanwaltschaften häufig bewerten? Dazu liegt noch kein höchstrichterliches Urteil vor. Bisher stellten die Ermittlungsbehörden in Bayern das Verfahren gegen die das Kirchenasyl gewährenden Personen überwiegend sanktionslos ein. In einigen wenigen Fällen boten sie die Einstellung gegen eine Geldauflage an. Willigten die Beschuldigten ein, war der Fall erledigt. Auch wenn es sich nicht um einen Freispruch handelte.

Franz Bethäuser, der Rechtsanwalt der Benediktinerin, hofft schon länger auf eine grundsätzliche Klärung der leidigen Frage durch die Justiz, nicht zuletzt, um endlich Rechtssicherheit zu schaffen. Deswegen trifft es sich gut, dass die Äbtissin, so wie er sie erlebt, „keine Kompromisse machen, sondern eine Entscheidung haben will – so oder so“.

Zumindest indirekt steht nicht nur Mutter Mechthild vor Gericht. Verhandelt wird in Bamberg auch, was die Vereinbarung noch wert ist, die die Kirchen 2015 mit dem Staat zum Kirchenasyl geschlossen haben. Nämlich dass die Behörden diese Praxis für die Dauer der Einzelfallprüfung dulden, solange Asylbewerber nicht versteckt werden.

Das Amtsgericht Freising machte in einer Entscheidung 2018 klar: Solange der Staat auf einen Vollzug der Ausreisepflicht verzichte, könne das Kirchenasyl selbst nicht strafbar sein. Unter Innenminister Joachim Herrmann (CSU) werden Polizei und Ausländerämter angehalten, auf dieser Linie zu bleiben und keine Flüchtlinge direkt aus kirchlicher Obhut abzuschieben. Aber einen Rechtsanspruch, eine letzte Sicherheit gibt es weder für Asylbewerber noch ihre Unterbringer.

„Ich kann nicht einsehen, dass ich etwas Unrechtes getan haben soll“, beteuert die Äbtissin. Die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das Bamberger Generalvikariat und das Katholische Büro Bayern seien sofort informiert gewesen. Alle hätten ab dem ersten Tag gewusst, dass sich die geflüchtete Eritreerin nunmehr in der Abtei Maria Frieden befinde. So wie es die Vereinbarung von 2015 vorsieht.

Heute würde sie wieder so handeln, sagt Mutter Mechthild, „wenn es notwendig wäre“. Vor Gott habe sie nichts Falsches getan. Seit wenigen Tagen weiß sie, dass ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen sie begonnen hat. Weil sie auch im Januar dieses Jahres wieder Kirchenasyl gewährt hat.

Von Christoph Renzikowski (KNA)

© Text: KNA

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