
Bündnis fordert Kehrtwende in der weltweiten Ernährungspolitik
Hunger und Armut ‐ Ein breites Bündnis fordert die Bundesregierung auf, sich für gerechte, agrarökologisch und demokratisch ausgerichtete Ernährungssysteme einzusetzen. Die UNO fürchtet, bis 2030 könnte die Zahl der Hungernden weltweit um weitere 150 Millionen Menschen steigen.
Aktualisiert: 27.07.2022
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Die Vereinten Nationen prognostizieren, dass ohne eine radikale Kehrtwende bei der Hungerbekämpfung im Jahr 2030 150 Millionen Menschen mehr Hunger leiden werden als heute. Ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verbänden fordert daher die Bundesregierung in einem Positionspapier auf, ihren Einfluss zu nutzen, damit die globalen Ernährungssysteme in Zukunft gerecht, agrarökologisch und demokratisch ausgerichtet werden.
Die Hilfswerke und Nichtregierungsorganisationen Misereor, Fian, Inkota, Oxfam und Brot für die Welt fordern in einem Bündnis von 46 Organisationen eine radikale Kehrtwende, um Hunger weltweit zu überwinden. Der Einsatz neuer und alter Gentechnik in der Entwicklungszusammenarbeit solle ausgeschlossen, Landarbeiter vor Ausbeutung besser geschützt und die Vereinnahmung der Politik durch Konzerne verhindert werden, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Positionspapier der Organisationen.
Erfolgreiche Methoden vor Ort müssten verstärkt und in der Strategie der Hungerbekämpfung ausgebaut werden. Zum Beispiel müsse die Politik stärker Kleinbauern fördern. Das Bündnis sieht die Gründe für fehlende Fortschritte bei der Hungerbekämpfung maßgeblich darin, dass sich die Politik an den Interessen großer Konzerne statt am Menschenrecht auf Nahrung ausrichte. Landwirtschaft und Ernährung sollten vor diesem Hintergrund nicht den konzerndominierten Märkten überlassen werden.
„Wer den Hunger bekämpfen will, muss die Rechte der Menschen stärken, die von Hunger betroffen sind“, erklärt Sarah Schneider, Expertin für Welternährung von Misereor. Sonst gehe die Hungerbekämpfung auch in Zukunft an denen vorbei, die sie erreichen soll. Die Bundesregierung und die Vereinten Nationen müssten deswegen den Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“ in allen Politikbereichen und Programmen zentral verankern und auch den für das kommende Jahr geplanten UN-Welternährungsgipfel (Food Systems Summit) danach ausrichten. „Kleinbäuerliche Betriebe erzeugen einen Großteil der Lebensmittel und sind zugleich überproportional von Hunger betroffen. Deshalb brauchen sie Zugang zu politischen Entscheidungsprozessen, damit ihr Zugang zu Land, Wasser, Saatgut und Wissen endlich gesichert wird. Sie müssen über ihre Zukunft mitbestimmen können“, so Stig Tanzmann, Landwirtschafts-Experte von Brot für die Welt. „Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie problematisch es ist, wenn Kleinbauern, Landarbeiterinnen, Indigene und Frauen bei Entscheidungen übergangen werden.“ Bislang werden die am meisten von Hunger und Armut Betroffenen weder in der Politik noch in den aktuell laufenden Planungen für den Gipfel einbezogen.
Das Bündnis sieht die Gründe für die fehlenden Fortschritte bei der Hungerbekämpfung maßgeblich darin, dass sich die Politik an den Interessen großer Konzerne statt am Menschenrecht auf Nahrung ausrichtet. „Kleinbäuerliche Erzeuger und Landarbeiterinnen hungern, weil sie in globalen Lieferketten ausgebeutet werden, weil ihre Lebensgrundlagen zerstört werden und der Klimawandel sie besonders stark trifft“, kritisiert Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN. Sie erzielten trotz harter Arbeit keine existenzsichernden Einkommen und Löhne.
Landwirtschaft und Ernährung sollten nicht den konzerndominierten Märkten überlassen werden, fordert das Bündnis. „Die enorme Macht von großen Konzernen ist nicht alternativlos. Die Bundesregierung hat es in der Hand, die Macht der Konzerne zurückzudrängen“, so Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam. Sie schlägt vor, etwa Patente auf Leben zu verbieten und eine rechtliche Grundlage zu schaffen, um „übermächtige Konzerne zu entflechten“.
© Text: KNA/Misereor