Bundesregierung einigt sich auf Entwurf zu Lieferkettengesetz
Berlin ‐ Nach dem nun vereinbarten Kompromiss müssen deutsche Unternehmen nach einem gestuften Verfahren für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards auch bei ausländischen Zulieferern garantieren. Die Regelung soll noch vor den Wahlen verabschiedet werden.
Aktualisiert: 29.11.2022
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Die Bundesregierung hat sich nach langem Tauziehen auf den Entwurf eines Lieferkettengesetzes geeinigt. Das gaben die Bundesminister für Entwicklung, Gerd Müller (CSU), Arbeit und Soziales, Hubertus Heil (SPD), und Wirtschaft, Peter Altmaier (CDU) am Freitag in Berlin bekannt. Nach dem nun vereinbarten Kompromiss müssen deutsche Unternehmen nach einem gestuften Verfahren für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards auch bei ausländischen Zulieferern garantieren. Die Regelung soll noch vor den Wahlen verabschiedet werden.
Nach Heils Worten soll nach dem abgestuften Verfahren die Sorgfaltspflicht für den eigenen Geschäftsbereich besonders gelten und dann für den unmittelbaren Zulieferer. Bei mittelbaren Zulieferern sollen Unternehmen tätig werden, wenn es Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen erhält. Das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle solle ein „robustes Mandat“ erhalten, um bei Verstößen Zwangs- und Bußgelder zu verhängen. Bei schweren Verstößen sollen Unternehmen für drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden können.
Die Regelung soll nach Altmaiers Worten ab dem 1. Januar 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmern gelten und ein Jahr später für Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern. Danach ist eine Evaluierung geplant. So könnten sich deutsche Unternehmen zunächst mit der Bewältigung der Pandemie befassen. Es gebe keine zusätzliche zivilrechtliche Haftung.
Zugleich wolle man aber den privatrechtlichen Weg stärken, sagte Heil. Demnach sollen deutsche Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisation für Betroffene in Entwicklungsländern nach internationalem Privatrecht in Deutschland klagen können.
Müller betonte, dass Deutschland mit der Regelung ein markantes Zeichen für eine gerechte Globalisierung setze. Jeder Mensch habe „ein Recht auf Leben in Würde“, das gelte auch für Kinder und Familien in Entwicklungsländern. Es sei „ein wichtiger Schritt, dem weitere folgen werden“ und „ein wichtiges Signal an Europa, die Wirtschaft und an alle Verbraucher“. Ziel sei ein Ende der Ausbeutung von Menschen und Natur. Mit der Regelung gebe es ein „effektives Beschwerde- und Sanktionssystem in der gesamten Lieferkette“.
Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag auf eine derartige Regelung geeinigt, sofern die freiwilligen Verpflichtungen der Wirtschaft zur Einhaltung der Menschenrechtsstandards bis 2020 nicht greifen. Eine Befragung ergab, dass der Großteil der deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten den „menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten“ nicht hinreichend nachkommt.
Misereor fordert Nachbesserungen
Misereor, das Werk für Entwicklungszusammenarbeit der katholischen Kirche, mahnt Nachbesserungen an dem Gesetzesentwurf an. Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel forderte in einer Stellungnahme die Abgeordneten des Bundestages auf, bei den anstehenden parlamentarischen Beratungen für eine zivilrechtliche Haftungsregel für eine vollumfängliche Sorgfaltspflicht auch gegenüber mittelbaren Zulieferern sowie für eine stärkere Berücksichtigung von Umweltstandards einzutreten. „Zur Bewahrung der Schöpfung muss ein Lieferkettengesetz nicht nur Menschenrechte, sondern ebenso die Umwelt schützen", fordert Spiegel. Nach bisherigen Informationen würden Umweltanliegen in dem geplanten Gesetz nur marginal berücksichtigt.
Zudem kritisierte der Misereor-Chef, es sei „besorgniserregend", dass in dem aktuellen Entwurf die Sorgfaltspflichten von Unternehmen mit Blick auf mittelbare Zulieferer auf Druck des Bundeswirtschaftsministers abgeschwächt wurden. „Unternehmen müssen verpflichtet werden, auch bei mittelbaren Zulieferern präventiv Menschenrechts- und Umweltprobleme zu ermitteln, und nicht erst dann, wenn sie von Betroffenen darauf aufmerksam gemacht werden", so Spiegel.
© Text: KNA