Konflikterfahren und aus der Peripherie: Kolumbiens Bischöfe wählen neuen Vorsitz

Konflikterfahren und aus der Peripherie: Kolumbiens Bischöfe wählen neuen Vorsitz

Bogotá ‐ Mit weggebrochenen Einnahmen, Missbrauchs-Skandalen, ausgeraubten Büros und einem stockenden Friedensprozess steht die Kirche in Kolumbien vor gigantischen Herausforderungen. Aber mit Krisen und Konflikten kennen sich die beiden Oberhirten aus, die nun für drei Jahre die Geschicke der Bischofskonferenz des südamerikanischen Landes lenken werden.

Erstellt: 08.07.2021
Aktualisiert: 08.07.2021
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Die kolumbianischen Bischöfe haben auf ihrer Vollversammlung in der Hauptstadt Bogotá eine neue Führung gewählt. Mit den Erzbischöfen Luis José Rueda Aparicio (Bogotá) als Präsident und Omar Alberto Sánchez Cubillos OP (Popayán) als Vizepräsident entschieden sie sich für zwei Oberhirten, die viel Erfahrung mit der Arbeit in der Peripherie und in Konfliktkontexten mitbringen. Beides werden sei brauchen: Die Kirche in dem südamerikanischen Land steht vor großen Herausforderungen.

Corona-bedingt sind den Bistümern in Kolumbien die Einnahmen durch Kollekten fast komplett weggebrochenen. Zudem wurde im März 2021 der Sitz der Bischofskonferenz gewaltsam ausgeraubt, Tatverdächtige konnten bis heute nicht ermittelt werden. Immer wieder kommt es zu Klagen wegen sexuellen Missbrauchs oder dessen Vertuschung. Hinzu kommen die Vorbereitungen für den synodalen Prozess, der auch in Kolumbien bald Fahrt aufnehmen soll. Und selbst bei den meisten Versöhnungs- und Friedensprozessen im Land geht kaum etwas voran ohne das Engagement der Kirche. 

Darum sollten bereits im vergangenen Jahr Nachfolger für die Erzbischöfe Óscar Urbina Ortega (Villavicencio) und Ricardo Tobón Restrepo (Medellín) an der Spitze der kolumbianischen Bischofskonferenz gefunden werden. Aufgrund der Hygiene-Bestimmungen war aber kein persönliches Zusammentreffen der Bischöfe möglich – die Wahl musste verschoben werden.

Ein großer Wandel

Mit Monseñor Luis José Rueda Aparicio steht nun in den kommenden drei Jahren einer an der Spitze der kolumbianischen Bischofskonferenz, der viele Abgründe der kolumbianischen Gesellschaft aus eigener Anschauung kennt. Als Bischof des von Gewalt geprägten Bistums Montelibano im nordkolumbianischen Departement Córdoba trieb er – trotz angespannter Sicherheitslage –zahlreiche Friedens- und Versöhnungsinitiativen voran. Er traute sich sogar, öffentlich über die zahlreichen Massaker an der Zivilbevölkerung zu sprechen, die bei den Auseinandersetzungen zwischen linker Farc-Guerrilla und rechter Paramilitärs immer wieder zwischen die Fronten geriet.

Dann berief ihn Papst Franziskus 2018 zunächst zum Erzbischof von Popayán, einem bedeutenden Erzbistum im westkolumbianischen Departement Cauca, wo Probleme um Landbesitz und Kontrolle bis heute zu Konflikten zwischen Guerrillas, paramilitärischen Organisationen und Militärs führen – so wie auch die Verwerfungen zwischen Mestizen und indigenen Gemeinschaften. Gemeinsam mit den Oberhirten der anderen Pazifik-Bistümer setzte sich Rueda Aparicio dort für Versöhnung, Aufarbeitung und Wiedergutmachung ein – für das Erzbistum und die Region ein großer Wandel.

Nur zwei Jahre später wurde er dann zum Erzbischof von Bogotá ernannt und trägt damit nun auch den Titel Primas von Kolumbien. Auch dort erwartete ihn eine turbulente Zeit: Die Corona-Pandemie traf die kolumbianische Hauptstadt mit voller Härte und seit Monaten kommt es immer wieder zu Streiks und Großprotesten gegen die Regierung von Präsident Iván Duque. Gemeinsam mit UNDP, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, sucht die Kirche mit der Unterstützung Rueda Aparicios‘ nach Lösungen.

Gefragt nach seinen Ideen und Plänen für die anstehende Amtszeit, zitiert Rueda Aparicio ein Wort Jesu aus dem Johannesevangelium (14,6): „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“. Jeden dieser drei Punkte hätten sowohl die Kirche als auch das Land derzeit dringend nötig, so der Erzbischof.

„Friedensfrage lösen“

Sein Stellvertreter bei der Bischofskonferenz, der Dominikaner Omar Alberto Sánchez Cubillos OP, wurde erst 2020 zum Erzbischof ernannt – als Nachfolger Rueda Aparicios im Erzbistum Popayán. Zuvor hatte er für neun Jahre das Bistum Tibú geleitet, das im Departement Norte de Santander an der Grenze zum Nachbarland Venezuela liegt. Auch er wurde in seiner pastoralen Arbeit mit komplexen Problemstellungen konfrontiert: Drogenkriminalität, Armut und Konflikte zwischen einer Vielzahl bewaffneter Gruppen bestimmen dort bis heute den Alltag ebenso wie Schmuggel und Fluchtbewegungen aus Venezuela.

In einer ersten Reaktion erklärte Sánchez Cubillos OP, eine der drängenden Aufgaben bestehe darin, dem Land aus dem anhaltenden, gewaltsam ausgetragenen Konflikt im Land zu helfen. „Wenn wir die Friedensfrage nicht lösen, werden wir in vielen Schmerzen gefangen bleiben, mit vielen Brüchen, und so schlussendlich nie das Land sehen, das wir verdienen.“ Das sei aber gleichzeitig eine Aufgabe „für ganz Kolumbien“.

Zudem nahm er Stellung zum geplanten synodalen Weg in Kolumbien. Dieser sei ein gemeinsamer Weg, der Empathie benötige, der integriere, der Unterschiede wahrnehme, anstatt zu skandalisieren. „Die Synodalität wird in den kommenden Jahren mit allen Mitteln gefördert, aber nicht im Sinne eines Konsenses von zwei oder drei Personen, sondern im Geiste einer wirklichen Erneuerung der kolumbianischen Kirche“. Als Beispiele nannte der Dominikaner Versammlungen, Treffen und Gespräche in unterschiedlichen Bereichen und Ebenen.

Die kolumbianischen Bischöfe haben sich mit ihrer Wahl für zwei Personen entschieden, die sich seit langem aktiv für Versöhnung und Frieden einsetzen, die um klare Worte nicht verlegen sind und die dafür stehen, Konflikte durch Dialog und Zusammenarbeit zu lösen. Diese Eigenschaften werden sie brauchen.

Von Damian Raiser (weltkirche.de)

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