Medizinisches Personal zieht einen Impfstoff auf
Pandemie weltweit

Kirchen im globalen Süden fordern Impfgerechtigkeit

Kirchenvertreter aus 25 Ländern im globalen Süden fordern globale Impfgerechtigkeit. Die reichen Industriestaaten müssten ihren wachsenden Überschuss an Impfdosen teilen, heißt es in einer Mitteilung des katholischen Hilfswerks Missio Aachen. Zudem gelte es, eigene Produktionsstätten in Afrika, Asien und Ozeanien aufzubauen.

Erstellt: 28.07.2021
Aktualisiert: 12.09.2022
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Kirchenvertreter aus 25 Ländern im globalen Süden fordern globale Impfgerechtigkeit. Die reichen Industriestaaten müssten ihren wachsenden Überschuss an Impfdosen teilen, heißt es in einer Mitteilung des katholischen Hilfswerks Missio Aachen vom Freitag. Zudem gelte es, eigene Produktionsstätten in Afrika, Asien und Ozeanien aufzubauen.

„Wir fordern gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern der Kirche in Afrika, Asien und Ozeanien globale Impfgerechtigkeit im weltweiten Kampf gegen das Corona-Virus“, appelliert Pfarrer Dirk Bingener, Präsident des katholischen Hilfswerks Missio Aachen, an die Solidarität der reichen Industrienationen. Dieser Appell ist das Ergebnis einer Umfrage, an der sich Missio-Partner aus rund 25 Ländern beteiligten. „Die Industrienationen sollen ihren wachsenden Überschuss an Impfdosen schneller und stärker mit den Ländern des globalen Südens teilen. Gleichzeitig brauchen vor allem Afrika und Asien dringend mehr eigene Produktionsstätten für die Herstellung von Impfstoffen. Das sind die zwei wichtigsten Forderungen unserer Partner“, fasst Pfarrer Bingener die Missio-Umfrage zusammen. 

Bingener begrüßte die jüngste Ankündigung der Bundesregierung, 30 Millionen nicht mehr nachgefragter Impfdosen aus Deutschland über das globale Verteilungsprogramm Covax an Länder im globalen Süden zu geben. Dies ist eine Initiative der Weltgesundheitsorganisation WHO und anderer Organisationen. „Für unsere weltkirchlichen Partner ist dabei wichtig, dass die Impfdosen-Lieferungen aus dem Westen, China oder Russland politisch nicht instrumentalisiert werden und zu Abhängigkeiten führen“, sagte Pfarrer Bingener. Die Missio-Partner kritisierten beispielsweise den hohen Preisunterschied zwischen billigeren chinesischen oder russischen und teureren Impfstoffen aus dem Westen, die aber höhere Akzeptanz in der Bevölkerung genießen. „Faire Preise für alle Impfstoffe, gleichgültig woher sie stammen, sind für unsere Partner sehr wichtig“, so Bingener. Gleichzeitig müssten die Geberländer den Eindruck vermeiden, dass sie Impfstoffe zweiter Klasse oder nicht gebrauchte „Reste“ lieferten. Missio-Partner berichten, dass solche Befürchtungen in ihren Ländern weit verbreitet seien und Verschwörungstheorien oder Impfskepsis befeuerten.

Zusammenarbeit beim Impfen darf nicht zu neuen Abhängigkeiten führen

„Das alles kann aber nur ein erster Schritt hin zu weltweiter Impfgerechtigkeit sein. Wichtiger für unsere Partner ist, dass in Afrika, Asien oder Ozeanien ein dichtes Netz an eigenen Produktionsstätten für Impfstoffe gegen Covid 19 und andere Krankheiten entsteht“, sagte Pfarrer Bingener. Für die Missio-Partner, die in armen Ländern oft die wichtigsten Akteure im Gesundheitswesen sind, seien dafür freiwillige und faire Lizenzvereinbarungen zwischen den Inhabern der Patentrechte in der globalen Forschung und pharmazeutischen Industrie aus dem Westen, Chinas oder Russlands mit interessierten Produzenten aus dem globalen Süden Voraussetzung. „Eine Lösung muss im Rahmen fairer, multilateraler Welthandelsbeziehungen gefunden werden, damit der globale Süden bei dem Aufbau eigener Standorte für die Impfproduktion nicht wiederum in einseitige politische Abhängigkeiten gerät“, unterstreicht Pfarrer Bingener den Hinweis der Partner des Hilfswerkes.

So berichteten beispielsweise Kirchenvertreter aus Bangladesch und Nepal gegenüber Missio Aachen, dass ihre Regierungen schon früh Lieferverträge mit indischen Firmen und einem europäischen Impfstoffhersteller, der in Thailand produziert, getroffen hätten, dann aber die Lieferungen nicht erfolgt oder mit kaum erfüllbaren Forderungen versehen worden seien. „Diese Abhängigkeiten müssen abgebaut werden“, so Pfarrer Bingener. Missio-Partner in Bangladesch verwiesen weiter darauf, dass es in ihrem Land eine hohe Zahl an pharmazeutischen Firmen gäbe, die für ärmere Länder Medizin zu erschwinglichen Preisen produzierten. Sie könnten auch Impfstoffe gegen das Corona-Virus herstellen, wenn das politisch gewollt sei. 

Globaler Gesundheitsschutz: Neben Klimaschutz die neue Herausforderung

„Die entscheidende Frage der globalen Impfgerechtigkeit ist zunehmend nicht mehr eine Frage der Verfügbarkeit des Impfstoffes, sondern der Verteilungsgerechtigkeit. Hier stehen die reichen Industrienationen in globaler Verantwortung“, fasst Bingener die Erwartungen der Missio-Partner zusammen. „Letzten Endes geht es hier auch nicht mehr allein um Impfgerechtigkeit. Die reichen Industriestaaten haben den globalen Gesundheitsschutz vernachlässigt, der eine ähnlich große Herausforderung wie der Klimaschutz ist. Die Folgen spüren wir alle, ob in Deutschland, Nigeria oder Bangladesch. Wir brauchen für diesen globalen Gesundheitsschutz neue internationale Allianzen“, sagte Pfarrer Bingener.

© Missio Aachen/KNA/dr/weltkirche.de