Und dann schließt die Enzyklika mit zwei Gebeten, von denen eines eindeutig ein interreligiöses Gebet ist, das auch als solches gebetet werden soll: Dieses „Gebet für unsere Erde“ endet mit der Bitte: „Lehre uns, den Wert von allen Dingen zu entdecken und voll Bewunderung zu betrachten; zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind mit allen Geschöpfen auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht. Danke, dass du alle Tage bei uns bist. Ermutige uns bitte in unserem Kampf für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden.“ Auch bei seinem Besuch in Sarajewo am 6. Juni 2015 lud Papst Franziskus in der Anwesenheit von Juden und Muslimen zu einem interreligiösen Gebet ein: „Jetzt lade ich alle ein, dieses Gebet zu sprechen. An den ewigen, den einen und wahren lebendigen Gott, den Barmherzigen. …“.
Seit der Veröffentlichung der Enzyklika Laudato Si kann man somit sagen, dass interreligiöses Gebet eine katholische Möglichkeit ist. Der in Rom lehrende Islamwissenschaftler und Jesuit Felix Körner fasst die Bedingungen zusammen, unter denen diese Möglichkeit umgesetzt werden kann: Interreligiöses Gebet unter Juden, Christen und Muslimen ist möglich, wenn ein Gebetstext offen dafür ist, von den unterschiedlichen TeilnehmerInnen je nach ihrer religiösen Tradition unterschiedlich verstanden zu werden; wenn ferner der Eindruck vermieden wird, dass eine Seite die andere vereinnahmt; wenn schließlich die Situation den Mut verlangt, Hindernisse zu überwinden und zusammen zu stehen um weitere Zerwürfnisse und Hass zu überwinden.
Als ich das „Gebet für unsere Erde“ aus der Enzyklika bei einem Seminar mit christlichen und muslimischen Studierenden 2015 in Qom im Iran vorlegte, wies mich eine Studentin darauf hin, dass dieser „Kampf“, zu dem der Papst die Hilfe Gottes erbitte, nichts anderes sei als das, was in der muslimischen Tradition mit Dschihad bezeichnet werde, die Anstrengung des Menschen, Gottes Wohlgefallen zu erlangen und das Wohlergehen der Mitmenschen zu fördern. Darauf beteten wir das Gebet mit Inständigkeit.
Von Schwester Margareta Gruber
Aus: DRS.GLOBAL Oktober 2016. Aus der weltkirchlichen Arbeit der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Mit freundlichem Dank für die Genehmigung.
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