Frage: Pauline-Marie Jaricot wird am 22. Mai in Lyon seliggesprochen. Was erhoffen Sie sich davon?
Huber: Jaricot hat über nationale Grenzen hinweg nicht nur gedacht, sondern auch gehandelt – für sie war die Frage wichtig, wie Menschen spirituell miteinander in Kontakt kommen können. Das ist heute noch aktuell. Gerade erleben wir viele Nationalismen und Abgrenzungen, bis hin zu Kriegen. Da kommt es darauf an, Verbindendes zu entdecken, miteinander für Frieden einzustehen, für Nachhaltigkeit und die Klimaziele. Wie Papst Franziskus immer wieder sagt: Wir haben nur dieses eine Haus, unsere Erde. Für sie müssen wir Verantwortung übernehmen, so dass nicht nur einige wenige Privilegierte darin wohnen können, sondern alle, und das nicht nur heute, sondern auch noch in Zukunft.
Frage: Jaricot gilt als „Mutter aller Missionswerke“. Wo wird ihr Denken in Ihrer Arbeit heute noch sichtbar?
Bingener: Jaricots Grundprinzipien einer Glaubens-, Gebets- und Solidargemeinschaft leben weiterhin fort. Eigentlich führen wir diese Idee von Pauline einfach weiter. Natürlich in der heutigen Zeit und mit modernen Mitteln. Und das nicht alleine, sondern mit unseren Freunden in der Weltkirche.
Frage: Was kann man von der künftigen Seligen lernen?
Huber: Sie hat die Not der Menschen vor Ort, von den Arbeitern in Lyon, nicht vergessen und sich trotzdem für Bedürftige weltweit eingesetzt. Wir können lernen, diese beiden Dinge nicht gegeneinander auszuspielen, sondern in Verbindung zu bringen: etwa in der Bekämpfung der Pandemie und der Unterstützung der Ukraine. Da sollten wir zum Beispiel die Konsequenzen für die Menschen in Afrika nicht aus den Augen verlieren. Was mich auch fasziniert, ist die Tatsache, dass sich Jaricot nicht hat entmutigen lassen durch Widerstände, die sie auch als Frau erfahren haben muss. Tapferkeit und Beharrlichkeit gehören dazu, um Dinge zu verändern.
Frage: Was wäre, wenn es das Missionieren nicht mehr gäbe?
Bingener: Das ist keine hypothetische Frage. Ich komme noch mal auf den Anfang zurück: Missionarisch sein heißt, dass die Kirche ausstrahlt, attraktiv ist. Wenn sie jedoch erstarrt, wenn es viel Streit gibt, weil es eher um ein Regelwerk als um den Menschen geht, dann verliert sie ihre Anziehungskraft. Kirche hat Zukunft, wenn sie dynamisch ist, fröhlich, wenn es gemeinsame Projekte gibt.