Wie das Papstschreiben zur „Alten Messe“ aufgenommen wurde
Für den britischen Vatikan-Berichterstatter Christopher Lamb (The Tablet) und seinen französischen Kollegen Nicolas Seneze (La Croix) ist die Tatsache bemerkenswert, dass der Erlass zuerst nur auf Italienisch und in Englisch veröffentlicht wurde – inzwischen auch auf Spanisch. Dies, so Lamb, sei ein Indiz, dass die traditionelle lateinische Messe „vor allem im anglo-amerikanischen Raum genutzt wird, um Spaltung zu säen“. Es seien anglo-amerikanische Traditionalisten gewesen, die Franziskus vom ersten Tag seines Pontifikats an attackiert hätten.
Ähnlich bewertet der langjährige Vatikan-Experte John Allen vom US-Portal „Crux“ die Beweggründe für „Traditionis custodes“. Zumindest „ein Teil von Franziskus' Abneigung“ bestehe darin, dass viele Katholiken „am älteren Ritus festhalten, um ein politisches Statement abzugeben“. Niemand komme zu einer Messe im Syro-malabarischen Ritus oder im Ambrosianischen Ritus, um eine politische Aussage über das Konzil oder etwas anderes zu machen, „aber dasselbe kann man sicher nicht über den Tridentinischen Ritus sagen“, so Allen.
Allen weist auch daraufhin, die mit Abstand meisten Orte, an denen Messen in der alten Form angeboten werden, gebe es in USA: 657. Das seien mehr als dreieinhalb mal so viele wie in Frankreich (199). In den allermeisten Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas ist die lateinische Messe indes kein Thema.
In Frankreich, durchaus einer Hochburg von Anhängern des Traditionalismus, sorgte das Papstschreiben für einige Bewegung. In Sozialen Medien war von liturgischem Ausverkauf, Kurzsichtigkeit und gnadenlosem Ausdörren von Frömmigkeit und Tradition die Rede. Der Vize-Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Olivier Leborgne von Arras, äußerte sich „überrascht“ über den für französische Ohren harten Ton des Papstes und lobte die Anhänger des Alten Ritus für ihre „sehr schöne Spiritualität“.
In ihrer offiziellen Erklärung als Reaktion auf das Motu Proprio bemühen sich die französischen Bischöfe um Besonnenheit und Ausgleich – hatte doch auch die katholische Zeitung „La Croix“ von zuletzt nachlassenden Spannungen zwischen Traditionalisten und Diözesen berichtet. Es gelte vor allem, so die Bischöfe, die bewährte Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Laut Leborgne muss der Gebrauch des außerordentlichen Ritus fortan „in völliger Gemeinschaft mit dem Bischof“ erfolgen. In den allermeisten Orten Frankreichs sei dies der Fall; „nur an wenigen Stellen ist die Situation angespannter“.
Benedikt XVI. habe mit der außerordentlichen Form des Messbuchs „eine absolut nicht-traditionelle Initiative ergriffen“, so Leborgne. Alle katholischen Riten, der Römische, der Chaldäische, der Syro-Malabarische, hätten „ein festes Messbuch und keine außerordentliche Form“. Benedikt XVI. habe den außerordentlichen Ritus um der Nächstenliebe willen eingeführt – doch leider hätten „einige Leute ihn gegen das verwandt, wozu er eigentlich dienen sollte“.