Wer Impfstoffe entwenden und unter der Hand weiterverkaufen will, würde anders vorgehen, erklärt die Epidemiologin Ethel Maciel von der Bundesuniversität UFES. So sei es am einfachsten, am Ende des Impftages ein neues Fläschchen zu öffnen und die Reste zu verkaufen. Die in Brasilien vom Butantan-Institut abgefüllten Fläschchen mit dem chinesischen Impfstoff CoronaVac enthalten offiziell genug Flüssigkeit für zehn Impfungen. Butantan informierte zuletzt, dass die Menge auch zwölf Impfungen hergebe. Nicht verimpfte Reste sollen eigentlich entsorgt werden.
Überhaupt mangele es bei den offiziellen Impfzahlen der Regierung an Transparenz, analysiert Maciel. Meldungen über Impfungen von Personen, die noch nicht an der Reihe waren, häufen sich. Oft handelt es sich um Familienangehörige von Politikern. Zudem gab es bereits einige Fälle, in denen Hunderte von Impfdosen nach offiziellen Angaben vernichtet wurden, nachdem die Kühlkette unterbrochen wurde.
Anzeichen eines Schwarzmarktes für Corona-Impfstoffe in Brasilien gibt es nach Medienberichten bisher jedoch nicht. Allerdings erwarten Experten, dass es angesichts der schleppend verlaufenden Impfkampagne der Regierung früher oder später dazu kommen wird. Präsident Jair Messias Bolsonaro ist ein erklärter Impfgegner und hatte die Beschaffung der Mittel lange hinausgezögert.
Nun hat Brasilien Schwierigkeiten, ausreichende Mengen an Impfstoffen weltweit einzukaufen. Immer wieder müssen Impftermine wegen Impfstoffmangels abgesagt werden. Anträge von Unternehmern und Privatkliniken, eigenständig Impfstoffe im Ausland einkaufen zu dürfen, lehnte die Regierung unter Verweis auf ihr Impfmonopol jedoch bisher ab.