Prof. Dr. Martina Neuburger von Universität Hamburg verweist in ihrem Leitartikel auf die Mitverantwortung der globalen Partner Lateinamerikas: „Die Nutzung und Aneignung von Natur ist in Lateinamerika spätestens seit den 1980er Jahren von globalen Einflüssen geprägt.“ Deshalb empfänden lateinamerikanische Regierungen Forderungen von Klimaschützern und Menschenrechtlern aus dem Westen vielfach als Bevormundung. „Das führt zu Konflikten um Nutzungsrechte“, sagt Neuburger. Ein praktisches Beispiel dafür liefert der Journalist Norbert Suchanek, der über die negativen Auswirkungen des Biodieselbooms berichtet. Der vor allem im Westen noch vor Jahren gehypte Biosprit sollte eigentlich eine umweltschonendere Nutzung des Autos ermöglichen. Tatsächlich „führt Biodiesel aus Sojaöl zu mehr Regenwaldabholzung“, kritisiert Suchanek im druckfrischen Kontinent der Hoffnung.
Kleinbäuerliche Landwirtschaft gegen Agrarindustrie, das ist nicht nur ökonomisch ein Kampf David gegen Goliath, sondern auch organisatorisch. Umso wichtiger ist es, die Rechte der indigenen Bevölkerung auf dem Land zu stärken. Festgeschrieben sind sie in der Konvention ILO 169, die den indigenen Völkern der Erde rechtsverbindlichen Schutz und Anspruch auf eine Vielzahl von Grundrechten garantiert. „Die Berufung auf die Konvention ILO 169 bringt Empowerment-Prozesse in Gang, die zur Verbesserung der Lebensbedingungen im lokalen Kontext führen“, heißt es im Leitartikel von Neuburger. Dadurch entstünden Graswurzelbewegungen wie lokale Radiosender oder andere Aktivitäten, indigene Gruppen schließen sich zusammen und treten dann als Akteure auf und spielen so eine gewichtigere Rolle als vorher.
Eine zentrale Frage in der Debatte ist auch, ob eher die industrielle Landwirtschaft oder kleinbäuerliche Strukturen Armut nachhaltig bekämpfen. Joachim Dürr vom Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn kommt nach Forschungen in Guatemala zu einem klaren Ergebnis: Es „kann behauptet werden, dass die Förderung einer nachhaltigen, diversifizierten und produktiven kleinbäuerlichen Landwirtschaft statt des monokulturellen Agrobusiness, eingebettet in integrierte ländliche Entwicklungsprogramme, ein inklusiveres, breitenwirksameres und armutsreduzierenderes Entwicklungsmodell nicht nur für Guatemala, sondern für ganz Lateinamerika darstellen würde“.
Eduardo Gudynas vom Lateinamerikanischen Zentrum der sozialen Ökologie in Montevideo (Uruguay) erklärt im Kontinent der Hoffnung mit Blick auf die Struktur der bäuerlichen Betriebe, warum sich so viele Frauen auf dem Land in den Protestbewegungen in Lateinamerika für den Erhalt der Natur und gegen deren Ausbeutung wehren: „Ein Drittel der bäuerlichen Betriebe wird von Frauen geführt. Das erklärt auch die Tatsache, dass häufig Frauen an der Spitze der Protestbewegungen gegen den Extraktivismus stehen. Der Widerstand auf dem Land hat vielerorts ein weibliches Gesicht.“
Ein Beispiel ist Iris Argüello aus Honduras. Als Gemeindeleiterin und Delegada de la Palabra steht sie bei Protesten gegen Gewalt und Landkonflikte in der ersten Reihe, begibt sich in Gefahr. Und das in einem Land in dem Umweltschützerinnen und Umweltschützer regelmäßig das Ziel von Mordanschlägen werden, weil sie den Interessen von großen Unternehmen im Wege stehen. Aufgeben kommt für sie dennoch nicht in Frage: „Mein Glaube gibt mir Mut und Stärke.“