Frage: Pater Welling, was hat das Abkommen den Katholiken in China bisher gebracht?
Welling: Seit September 2018 wurden bisher zwei Bischöfe mit päpstlicher und staatlicher Zustimmung geweiht und fünf Untergrundbischöfe staatlich anerkannt, ein weiterer alter Bischof wurde anerkannt und zugleich emeritiert. Allerdings ist keiner von ihnen vollständig auf der Grundlage der „vorläufigen Vereinbarung“, bei der es ja um die Auswahl und Ernennung von Bischöfen sowohl vom Vatikan als auch von China ging, eingesetzt worden.
Auch hatte man gehofft, es würden zügig neue Kandidaten für die etwa 40 vakanten Diözesen eingesetzt werden. Das ist bisher nur in zwei Fällen geschehen. Die Gründe dafür sind uns nicht bekannt, aber es wird definitiv als eine Enttäuschung empfunden.
Frage: Gab es auch Besonderheiten auf weltkirchlicher Ebene durch das Abkommen?
Welling: Die Teilnahme von zwei chinesischen Bischöfen an der Bischofssynode über die Jugend ist ein kirchengeschichtlich wichtiges Ereignis. Von vielen wurde es wohl zu Recht begrüßt, im Untergrund allerdings konnten viele nicht verstehen, dass einer der beiden Bischöfe, der kurz davor noch „illegal“ war, so zeitnah als Vertreter der Kirche Chinas in die Bischofssynode zum Thema Jugendpastoral eingeladen wurde, während der Jugend Chinas in vielen Provinzen der Zugang zu Religion verwehrt wird.
Frage: Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin erklärte kürzlich, beide Seiten wollten die Vereinbarungen verlängern – trotz Problemen und Ergebnissen, die „nicht besonders“ seien. Wie sehen Sie das?
Welling: Immerhin ist diese Vereinbarung das erste gemeinsame Dokument beider Parteien seit 1949. In ihm wird dem Papst eine besondere Rolle bei der Bischofsernennung eingeräumt. Bei der Verlesung der Ernennungsurkunde des Bischofskandidaten wird seitdem explizit erwähnt, dass der Papst der Auswahl des Kandidaten „zugestimmt“ habe. Somit ist er vorerst als Haupt der römisch-katholischen Weltkirche anerkannt!
Das Religionsbüro Chinas, die Patriotische Vereinigung der katholischen Kirche, selbst die Bischofskonferenz Chinas verfolgen aber explizit in ihren Satzungen das Ziel einer „autonomen“, also von der römisch-katholischen Kirche getrennten „chinesisch-katholischen Kirche“. Je nach Interpretation des Begriffes „autonom“ ist dieses Ziel mit der katholischen Lehre nicht zu vereinbaren. Diesem Prinzip müssen sich aber alle Priester und Bischöfe Chinas verpflichten, weshalb bis heute viele von ihnen die offizielle Registrierung verweigern.
Frage: Und wo sehen Sie Positives?
Welling: Als klarer Erfolg muss gewertet werden, dass gegenwärtig alle Bischöfe Chinas mit dem Bischof von Rom in Gemeinschaft stehen. Aber erst, wenn auch alle Untergrundbischöfe von China als gleichberechtigt anerkannt und Teil der Bischofskonferenz sind, kann diese vom Vatikan anerkannt werden. Diese Einheit ist eines der erklärten Hauptziele des Vatikan im Dialog mit China.
Frage: Wie hat sich das religiöse Leben der Katholiken durch das Abkommen verändert?
Welling: Die größte Enttäuschung dürfte sein, dass China einerseits Verträge mit der Kirche abschließt, von Dialog und Vertrauensaufbau spricht, und zugleich rigoros in vielen Teilen Chinas die Vorschriften für die Verwaltung religiöser Angelegenheiten durchboxt: Priester und Bischöfe bedroht und drängt, sich registrieren zu lassen, sie zeitweise verschleppt oder schikaniert, Minderjährigen den Zugang zu Kirchen und Religionsunterricht strengstens verbietet, Studenten, Professoren und viele andere Menschen und deren Familien bedroht, wenn sie einer Religion angehören oder sich aktiv religiös betätigen und mit einem unvorstellbaren Überwachungsapparat nicht nur Kirchen und Religionen, sondern die ganze Gesellschaft überwacht.