Frage: Herr Südhoff, ein Grund dafür, dass sich vor fünf Jahren so viele Flüchtlinge nach Europa aufgemacht haben, war auch die Unterfinanzierung vieler Hilfsprogramme. Inzwischen ist Deutschland mit Blick auf die humanitäre Hilfe nach den USA bei einem Aufkommen von rund 1,5 Milliarden Euro zum zweitgrößten Geber aufgestiegen. Ist also alles gut?
Südhoff: Ja und nein. Damals gab es eine massive Unterfinanzierung der humanitären Hilfe vor allem im Nahen Osten. Die Bundeskanzlerin hat daraufhin betont, dass man das nicht noch einmal zulassen könne. Und Deutschland hat sich in der Folge massiv engagiert und sich vorgenommen, rund 50 Prozent der Programme zu finanzieren wie etwa das UN World Food Programme. Das wurde eingehalten, und das Budget wurde auch verstetigt, so dass Deutschland weltweit heute eine ganz andere Rolle bei der humanitären Hilfe spielt.
Frage: Und wo ist das „Aber“?
Südhoff: Die Erwartungen an Deutschland sind dementsprechend gewachsen. Und die kann die Bundesregierung allen guten Motiven zum Trotz nur bedingt erfüllen. Ich vergleiche das manchmal mit einem pubertierenden 16-Jährigen, der sehr schnell gewachsen ist, aber noch nicht recht weiß, wo er mit seinen langen Armen und Beinen und all seiner Kraft genau hin soll.
Frage: Was raten Sie der Bundesregierung?
Südhoff: Ich finde es legitim, dass sie bei der Zahlung der humanitären Hilfe den Nahen Osten als Schwerpunktregion sieht, denn die Hilfe dort war massiv unterfinanziert. Über 50 Prozent des Budgets gingen zuletzt dorthin. Aber alleine die Mittel zu erhöhen, reicht nicht. Es fehlt an Personal, denn das wurde nicht entsprechend aufgestockt. Mit dem neuen Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten in Brandenburg, das auch die Verteilung der humanitären Hilfe beaufsichtigt, wird sich das leider nicht ändern, denn die dortigen Stellen werden nicht neu geschaffen, sondern nur ausgelagert.