Dann kam der verflixte 13. Tag. Hunderte Gegner des Volksaufstands – Augenzeugen und Medien zufolge Anhänger der schiitischen Amal-Bewegung sowie der Hisbollah – attackierten die Demonstranten auf der Ringstraße in der Innenstadt, rissen und brannten die Zelte nieder.
„Wir waren in die Ecke gedrängt, zwischen uns und denen eine Mauer aus Soldaten und Polizei“, sagt Michaela (22). „Pure Provokation“, sagen Joelle (39) und Mario (26), nicht ohne ein gewisses Mitleid mit den Angreifern: „Unsere Gegner fühlten sich unter Druck, deshalb haben sie ihre ideologisierten Truppen geschickt.“ Für einen langen Moment liegt die Spannung der bisher so friedlichen Proteste in der Luft wie das Tränengas, mit dem die Einsatzkräfte die Menge auf dem Märtyrerplatz auseinandertreiben. Mindestens elf Personen mussten laut dem libanesischen Roten Kreuz in Krankenhäusern behandelt werden.
Um 16 Uhr dann der Triumph: Ministerpräsident Saad Hariri erklärt, er mache sich auf den Weg zu Präsident Aoun, das Rücktrittsgesuch in der Tasche. Noch ist der Schock über die Zusammenstöße das Hauptthema der Versammelten, aber immer trotziger wird Jubel laut in den Straßen, die sich erneut in ein libanesisches Fahnenmeer verwandeln. „Vorsichtig optimistisch“ beschreibt Michaela die Stimmung. Der Rücktritt Hariris sei „ein erster, aber ein riesiger erster Schritt – er zeigt, dass wir hier nicht unsere Zeit verschwenden.“ „Heute haben wir etwas erreicht“, sagen auch Joelle und Mario.
Doch nicht nur der Kopf Hariris soll rollen. „Killun, yaani, killun – alle, das heißt: alle“, fordern die Demonstranten auf den Straßen Beiruts in Sprechchören. Die gesamte Regierung müsse gehen. Aus den aufgeschichteten Stangen der niedergerissenen Zelte haben einige ein Mahnmal improvisiert. Die libanesische Fahne weht auf seiner Spitze im Abendwind. „Jetzt oder nie“, heißt Marios Devise, „wenn wir jetzt aufgeben, haben wir verloren“. „Wir bleiben bis auf weitere Nachricht“, ergänzt ein Freund, der seinen Namen nicht geschrieben sehen will, „nicht aus Angst, sondern weil unsere Anliegen kollektive Ideen sind – was spielt es da für eine Rolle, wer sie ausgesprochen hat?“