Ende Januar legte Kardinal DiNardo für die 15 Bistümer in Texas eine Liste mit 278 Namen von Priestern vor, die glaubwürdig beschuldigt werden, sich an Minderjährigen vergangen zu haben. Es gehe darum, die Geschichten der verletzten Betroffenen sichtbar zu machen, erklärte er. „Auch die Kirche selbst ist dadurch schwer angeschlagen.“
Das persönliche Verhalten des Kardinals macht die Dinge aus Sicht von Opfervertretern nicht besser. Michael Norris vom „Survivors Network“ meint, es sei befremdlich, dass DiNardo einem Missbrauchspriester erlaubte, die Messe zu feiern, obwohl dieser bereits auf der Liste stand. „Entweder sie entfernen jemanden aus dem Dienst oder nicht.“
Texas ragt mit der Zahl der absoluten Fälle aus den mehr als 50 US-Bistümern und -Ordensgemeinschaften heraus, die seit August die Namen von mehr als 1.250 Priestern öffentlich machten. Trotz Fortschritten im Umgang mit dem Klerus bleibt ungeklärt, wie die Bischöfe selbst zur Rechenschaft gezogen werden.
Das Epizentrum des neuerlichen Missbrauchsbebens, dass die US-Kirche 2018 erschütterte, bleibt mit dem Namen Theodore McCarrick (88) verbunden. Der Ex-Kardinal von Washington soll vor mehr als 50 Jahren gegenüber zwei damals Minderjährigen sexuell übergriffig geworden sein. Sein Nachfolger, Kardinal Donald Wuerl (78), trat seinerseits zurück, nachdem klar wurde, dass er mehr wusste, als er zugab. Hinzu kommt der Druck der US-Staatsanwaltschaften, die auf Ebene der Bundesstaaten und in Pennsylvania nun auch auf Bundesebene ermitteln. Allein in Illinois beschuldigt der Generalstaatsanwalt mindestens 500 Priester.
All das erklärt die Ungleichzeitigkeiten zwischen Rom und den USA. Der Kolumnist Reese meint, das Bischofstreffen im Vatikan werde den US-Bischöfen vermutlich nicht das Maßnahmenbündel mit auf den Weg geben, das sich viele erhofften. „Die meisten Amerikaner werden das Treffen als Ausfall betrachten.“