Fast im Stundentakt informiert er seine Landsleute und fungiert damit als Ersatzmedium. Denn die sandinistische Regierung von Präsident Daniel Ortega versucht seit der Eskalation der Lage, die unabhängigen Medien auszuschalten. Radiostationen brennen, Journalisten werden attackiert, am Samstag stirbt der Reporter Angel Eduardo Gahona. Ihn trifft eine Kugel, als er über die Unruhen berichtet. Wer geschossen hat, ist unklar. Die lokalen Medien greifen die Tweets des Bischofs auf, Live-Ticker verbreiten die Botschaften aus der Kathedrale.
Die katholische Kirche positioniert sich eindeutig. Die Kathedrale von Managua wird zum Epizentrum des Protests. Dort hatten am Freitag Demonstranten Schutz vor Sicherheitskräften gesucht. Baez versprach ihnen diesen – „koste es, was es wolle“. Am Samstag trafen sich die Demonstranten erneut in der Kathedrale. Gekommen waren neben Baez auch Kardinal Leopoldo Brenes und mehr als 20 Geistliche. Sie üben sich im Schulterschluss mit den Studenten: „Ich möchte Ihnen im Namen der Kirche danken, denn Sie sind die moralische Reserve, die wir haben“, sagt Baez. Eine besondere Bitte richtet er an die Jugend. Sie sollten sich nicht von Ideologien leiten lassen, da diese immer nur einen Teil der Realität abbildeten. Die Kirche aber stehe hinter ihnen, weil sie sich für eine gerechte Sache einsetzten.
Von der Oppositionsbewegung, die sich unter anderem unter dem Hashtag #sosnicaragua organisiert, kommen Botschaften des Dankes: „Dass es die Welt erfährt: Der Weihbischof der Erzdiözese von Managua, @silviojbaez verteidigt und beschützt die Studenten (...) in der Kathedrale (...), das Haus Gottes und seine Prinzipien bewahrend.“
Derweil gibt es zwischen Polizei und Kirche Streit. Sprecher der Sicherheitskräfte bestreiten, dass sie versucht hätten, auf das Gelände der Kirche zu gelangen. Die Kirche widerspricht. Internetvideos stützen die Version der Kirche.
Präsident Daniel Ortega bezeichnete die Proteste am Samstag als Versuch, das Bild Nicaraguas zu zerstören. Vizepräsidentin Rosario nannte die Demonstranten „Vampire, die Blut für ihre politische Agenda fordern“. Doch die Regierung signalisierte auch die Bereitschaft zum Dialog. Ihr dürfte klar sein, dass es inzwischen nicht mehr nur um die Rente geht.
Von Tobias Käufer (KNA)
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