Frage: Die rationalen Faktoren sind aber die einzigen, die Sie steuern können. Was machen die gut funktionierenden Klöster da richtig? Ist die Größe entscheidend?
Kugler: Auch eine kleine Gemeinschaft mit höherem Durchschnittsalter kann eine große Ausstrahlung haben. Umgekehrt merke ich, dass große Gemeinschaften mit Nachwuchs durchaus auch Schwierigkeiten haben. Die haben oft große Einrichtungen und Betriebe, die sie erhalten wollen. Da braucht es entsprechenden Nachwuchs, um das weiter zu führen. Und das wird oft trotz der relativ großen Zahlen schon schwierig.
Frage: Müssen wir beim Ordensleben also mehr auf die Qualität als auf die Quantität schauen?
Kugler: Was sagt eine Zahl schon aus? Natürlich geht es um die Qualität. Für mich persönlich ist zudem ganz wichtig, dass wir ja nicht für uns selber da sind. Es geht nicht darum, dass wir möglichst viele sind, sondern dass wir Ordensleute dort, wo wir sind, das Evangelium glaubwürdig verkünden. Das machen wir durch unsere Lebensweise und durch unsere unterschiedlichen Charismen. Das können fünf Schwestern oder Brüder genauso gut wie 50 oder 80 oder 100. Aber in unserer Welt fallen eben vor allem bombastische Zahlen auf.
Frage: Entgegen der deutlichen Probleme bei der Nachwuchswerbung gibt es unter vielen Menschen – nicht nur Gläubigen – ein spürbares Interesse an den Orden und ihrer Spiritualität. Schlägt sich das auch im kirchlichen Leben der Orden nieder oder spielt das am Ende nur eine wirtschaftliche Rolle, etwa beim Verkauf von Büchern und Klosterprodukten?
Kugler: Sehr viele Ordensgemeinschaften haben sogenannte Assoziierte, auch Familiaren oder Drittorden genannt. Das sind Laien, die nicht als Ordensleute leben, aber in irgendeiner Form an die Gemeinschaft angegliedert sind und die Spiritualität für sich im Alltag leben. Das halte ich für eine ganz interessante Bewegung, die im Übrigen gar nicht neu ist. Es geht also wirklich nicht nur um Klosterprodukte und den wirtschaftlichen Wohlstand der Orden. Ich stelle auch fest, dass Orden ihre Mitarbeiter prägen. Das sieht man zum Beispiel bei den Barmherzigen Brüdern, die versuchen, die Menschen in ihren Krankenhäusern und Einrichtungen mitzunehmen. Ich habe den Eindruck, dass es ihnen gut gelingt, den Mitarbeitern etwas von ihrer Ordensspiritualität weiterzugeben.
Frage: Die Barmherzigen Brüder sind auch ein Beispiel für das „an den Rand gehen“, das Papst Franziskus von der Kirche fordert. Ist das ein neues Charisma?
Kugler: Diesen Begriff „Rand“ darf man nicht einseitig im Sinn des sozialen Rands verstehen. Da geht es auch um die Menschen, die am Rand der Kirche stehen, also vielfältige Fragen stellen und ihre Schwierigkeiten haben.
Frage: Wie lässt sich das An-die-Ränder-Gehen für die Orden unter diesem Gesichtspunkt praktisch ausleben? Müsste man nicht statt einen „Tag der offenen Klöster“ zu veranstalten, an einem Tag alle Ordensleute aus ihren Klöstern und Konventen rausschicken?
Kugler: (lacht) Da geht es wieder um die unterschiedlichen Charismen der Orden. Es gibt sehr viele missionarisch oder apostolisch tätige Gemeinschaften. Die sind schon an den Rändern. Nehmen Sie etwa die Franziskaner in Berlin mit ihrer Obdachlosenseelsorge. Andererseits kommen zu uns in unsere Gästehäuser oft Menschen, die Sie in der Pfarrei oder der verfassten Kirche heute schon nicht mehr finden. Das sind eben Menschen, die am Rand der Kirche stehen, aber bei den Orden einen Ort finden, wo sie andocken können.