Romero wusste um die Gefahr, denn er predigte noch unmittelbar vor seinem Tod: „Wer sich davor hütet, die Gefahren des Lebens auf sich zu nehmen, so wie es die Geschichte von uns verlangt, der wird sein Leben verlieren. Wer sich hingegen aus Liebe zu Christus in den Dienst der anderen stellt, der wird wie das Samenkorn, das stirbt, aber in Wirklichkeit lebt.“
Hunderttausende Pilger sowie Staatsspitzen aus ganz Lateinamerika kamen im Mai 2015 zu seiner Seligsprechung in San Salvador. Doch warum hat sich der Prozess so lange hingezogen? Zehn Jahre gingen ins Land, bis er in San Salvador auf lokaler Ebene eröffnet wurde. 1997 kam er dann in Rom bei der zuständigen Heiligsprechungskongregation an. Doch erst nach 17 Jahren Wartezeit, in der Hunderte Zeugen gehört, zahlreiche Predigten Romeros rekonstruiert und Aktenberge gesichtet wurden, war es 2015 soweit.
Der Steyler Missionar Christian Tauchner arbeitete über zwei Jahrzehnte in Lateinamerika. Er sieht einen Grund für die Verzögerung in den parteipolitischen Nachwehen der damaligen Zeit. Andererseits sei in San Salvador der Prozess vom zweiten Nachfolger Romeros, Erzbischof Fernando Saenz Lacalle (85) vom Opus Dei, gebremst worden. Durch ihn sei es zu der „absurden Situation“ gekommen, so Tauchner, dass in der Kathedrale „der Bischof eine trockene, formell richtige Liturgie feierte, ohne von Romero zu reden oder sich auf sein geistliches Erbe zu beziehen“; und in der Unterkirche der Kathedrale hätten die Basisgemeinden jeden Sonntag am Grab Romeros gefeiert: „in Wirklichkeit zwei Kirchen mit gegensätzlichen Ausrichtungen“.
Derzeit allerdings weht der Wind in der Kirche franziskanisch-romerianisch. Der langjährige Weihbischof in San Salvador, Gregorio Rosa Chavez (75), der seit 1982 unter drei Erzbischöfen diente, macht viele Ähnlichkeiten zwischen Romero und Papst Franziskus aus. „Romero ist die Ikone des Hirten, wie Papst Franziskus sie im Sinn hat“, sagt er. „Die Ikone der Kirche, wie Franziskus sie sich vorstellt: eine arme Kirche für die Armen.“ Wie Papst Franziskus verkünde Romero das Evangelium zuerst durch sein Zeugnis, dann durch seinen Lebensstil „und erst an dritter Stelle durch sein Wort“.