Der Theologe hat die vergangenen Jahrzehnte kolumbianischer Kirchengeschichte analysiert und dokumentiert. Es waren bewegende Zeiten, als der katholische Priester Camilo Torres (1929-1966) angetrieben von der Rechtlosigkeit der armen Landbevölkerung zu den Waffen griff und sich der ELN-Guerilla anschloss. Die ELN wurde 1964 von Studenten, katholischen Radikalen und linken Intellektuellen aus Protest gegen die Armut der Kleinbauern gegründet.
Das Verhältnis von Marxismus und Christentum kommentierte Camilo Torres mit dem legendären Satz: „Warum sollen wir streiten, ob die Seele sterblich oder unsterblich ist, wenn wir beide wissen, dass Hunger tödlich ist?“ Torres starb 1966 bei Kämpfen mit Regierungstruppen und wurde zur Ikone der katholischen Linken. Es war laut kolumbianischen Quellen sein erster Kampfeinsatz überhaupt.
Sein Namensvetter Fernando Torres kommt zu einem ernüchternden Ergebnis. Ausgerechnet die als besonders konservativ geltende Kirche aus dem Großraum Medellin habe verhindert, dass das historische Erbe der Konferenz einer breiten Öffentlichkeit zugänglich geworden sei. Statt zu einem Pilgerort für Befreiungstheologen zu werden, habe Medellin versucht, die Spuren zu beseitigen und die Geschichte zu ignorieren. Er nennt diese Kräfte die „Anti-Medellin-Bewegung“; sie sei bereits während der Konferenz 1968 entstanden und habe versucht, die Aufbruchsstimmung zu unterdrücken.
Bis heute sei die Befreiungstheologie ausgrenzt und ausgeschlossen, sagt Torres. „Es gibt in Kolumbien keine Theologie-Ausbildung ohne die Kontrolle der Kirche. Die Universitäten werden alle von der Kirchenleitung kontrolliert.“ Für die Befreiungstheologie sei da kein Platz. Der Theologie werde die Möglichkeit genommen nachzufragen, nachzubohren, nachzuforschen. „Die Kirche hier stand immer sehr auf der Seite der Macht und der Mächtigen.“
Papst Franziskus habe dem zuletzt entgegengewirkt, meint Torres. Das habe ihn überrascht – denn zu seiner Zeit als Kardinal in Buenos Aires habe Franziskus nicht in dem Ruf gestanden, ein Befreiungstheologe zu sein. Doch mit seiner Enzyklika „Laudato si“ knüpfe Franziskus an die Ideen von 1968 ebenso an wie mit der Seligsprechung des 1980 ermordeten Erzbischofs Oscar Romero von San Salvador, der in ganz Lateinamerika als „Bischof der Armen“ verehrt wird.