Müller: Im Vordergrund steht die Überlebenshilfe. Die Menschen brauchen Lebensmittel, sauberes Wasser und Medikamente. Dabei ist uns wichtig, die Menschen nicht dauerhaft in Abhängigkeit von Hilfe von außen zu bringen. Daher verteilen wir auch Saatgut, um die Kleinbauern wieder in die Lage zu versetzen, sich selbstständig zu ernähren. Ein zweites Feld ist Bildung. In einem ersten Schritt haben wir in zwei Flüchtlingslagern Schulen eingerichtet, die nicht nur den Kindern eine Perspektive geben sollen, sondern auch den Alltag in diesen Lagern verbessern können. Nur jeder Dritte Südsudanese kann Lesen und Schreiben, nur vier Prozent der Kinder besuchen eine weiterführende Schule. Um dies zu ändern, braucht das Land internationale Unterstützung.
Frage: Was ist mit den Einnahmen aus der Ölindustrie des Landes?
Müller: Wegen der Konflikte ist die Ölförderung wie die gesamte Wirtschaft des Landes eingebrochen. Der Südsudan ist aktuell eines der ärmsten Länder der Welt. Zuletzt lag die Inflationsrate bei 835 Prozent. Alle Entwicklungsindikatoren sind dramatisch schlecht. Es gibt auf dem Land praktisch keine medizinische Versorgung, die Mütter- und Kindersterblichkeit ist extrem hoch. Und nun wächst die Sorge vor einer Cholera-Epidemie.
Frage: Können Hilfsorganisationen in dieser Konfliktlage überhaupt arbeiten?
Müller: Die unübersichtliche Entwicklung macht es schwierig, die Notleidenden zu erreichen. Als kirchliches Hilfswerk können wir aber über unsere lokalen Partner wie Orden und Caritasverbände auch in entlegenen Gegenden tätig werden.
Frage: Welche Rolle könnte die katholische Kirche in dem christlich geprägten Land spielen?
Müller: Sicher eine aktivere. Ein wichtiges Zeichen wäre es, wenn Papst Franziskus 2017 das Land besuchen würde. Entsprechende Pläne gibt es. Ein solcher Besuch würde den internationalen Blick auf diese vergessene Katastrophe lenken. Und vielleicht könnte der Papst die politisch Verantwortlichen zur Abkehr von der Gewalt bewegen.
Von Volker Hasenauer (KNA)
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