Doch der Papst ging nicht nur selbst auf die oftmals von anderen ausgestoßenen Menschen zu, er lud sie auch zu sich ein. Etwa zur Heilig-Jahr-Wallfahrt für Obdachlose und Strafgefangene im Vatikan. Er hielt Sonderaudienzen für diese Gruppen, umarmte sie, feierte Messen mit ihnen. Beim Abschlussgottesdienst am Sonntag rief Franziskus zu Nächstenliebe statt Egoismus auf: Jeder solle sich täglich fragen: „Was verlangt die Liebe von mir, wohin drängt sie mich? Welche Antwort gebe ich Jesus mit meinem Leben?“
Bei der Feier auf dem Petersplatz unter strahlend blauem Himmel waren auch die von Franziskus am Vortag ernannten neuen Kardinäle dabei. Auch mit ihrer Auswahl richtete der Papst das Augenmerk auf „Randgebiete“, auf viele von Krieg und Konflikten geprägte Länder, die allzu oft vergessen würden. Dabei würdigte er auch die Vielfalt, die die neuen Kardinäle aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt – etwa aus Lesotho, der Zentralafrikanischen Republik, Bangladesch und Malaysia – neben Europa, den USA und Australien mitbrächten. Ein wenig hallte das auch bei der Messe am Sonntag auf dem Petersplatz wider: Eine Fürbitte wurde in Sango, der Nationalsprache der Zentralafrikanischen Republik vorgetragen, eine andere auf Albanisch.
Möglicherweise wurde diese Sprache zu Ehren des albanischen Priesters Ernest Simoni gewählt, der von Franziskus für sein besonderes Glaubenszeugnis am Samstag in den Kardinalsstand erhoben worden war. Der 88-Jährige war von den Kommunisten zum Tode verurteilt worden, weil er den christlichen Glauben verkündete und verbrachte 18 Jahre im Gefängnis.
Papstschreiben zum Ende des Heiligen Jahres
Neben solchen kleinen eindrucksvollen Details gab es auch am Ende der Messe noch einen besonderen Moment: Plötzlich wurde ein Tisch vor den Altar getragen, über die Lautsprecher auf dem Platz wurde erklärt, Franziskus werde nun sein Schreiben zum Heiligen Jahr unterzeichnen, das der Vatikan am heutigen Montag vorstellt. Unter Applaus setzte Franziskus seine Unterschrift unter das Dokument mit dem Titel „Misericordia et misera“ („Barmherzig und armselig“).
Kurz darauf überreichte der Papst persönlich ausgewählten Stellvertretern des „Gottesvolks“ vorab eine Ausgabe seines Schreibens. Unter ihnen waren nicht nur Erzbischöfe, sondern auch Priester aus der Republik Kongo und aus Brasilien sowie ein Ständiger Diakon mit seiner Familie. Weitere Exemplare aus der Hand des Papstes bekamen Ordensschwestern aus Mexiko und Südkorea, eine Familie aus den USA einschließlich der Großeltern, zwei junge Verlobte, zwei Katechetinnen aus Rom sowie ein Kranker. Zum Schluss ging Franziskus zu einem Mensch mit Behinderung im Rollstuhl, und überreichte auch diesem ein Exemplar.
Von Stefanie Stahlhofen (KNA)
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