Perez: Der Frieden ist ja nicht gleichzusetzen mit dem Abkommen. Der Frieden hängt nicht wirklich von diesem Abkommen ab. Das ist genau das, was man versucht hat, den Kolumbianer in friedenspädagogischen Bemühungen beizubringen: dass dieses Abkommen nicht mehr sein wird als ein Signal, ein Startpunkt, um dann den Frieden in Kolumbien aufzubauen. Da müssen alle mitwirken, nicht nur Regierung und FARC. Und Präsident Santos hat bereits geäußert, dass er weiterhin bis zum letzten Tag seines Mandats am Thema Frieden dranbleiben wird. Der FARC-Repräsentant hat sich auch dahingehend geäußert, dass man weiter am Thema arbeiten will. Ich würde jetzt nicht sagen, es ist alles verloren dadurch, dass Kolumbien mit Nein gestimmt hat.
Frage: Was sind denn im Vertrag die Knackpunkte, die die Bevölkerung kritisch sieht, nicht anerkennen und befürworten will?
Perez: Ein großes Problem ist die Übergangsjustiz. Es gibt es viele Menschen, die sagen, wenn die FARC für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die sie tatsächlich begangen hat, nicht angemessen bestraft wird, dann ist das sicherlich nicht in unserem Sinne. Dann gibt es Gerüchte bzw. diese haben sich inzwischen konkretisiert, obwohl die Regierung einen Zusammenhang abstreitet, dass es eine Steuerreform geben wird. Das heißt, es muss ja auch Geld da sein, um diesen Frieden zu finanzieren. Es gibt x Punkte, bei denen die Kolumbianer sagen, das ist uns nicht transparent genug, da wissen wir nicht so genau, wozu wir Ja sagen. Dieses Ja wäre für viele sicherlich einer Blanko-Vollmacht gleichgekommen.
Frage: Wie kann es mit der Politik jetzt weitergehen? Theoretisch ist es eine Niederlage für den Präsidenten und auch für die Rebellen. Was werden die nächsten Schritte sein?
Perez: Die nächsten Schritte werden sicherlich sein, dass man die Lage analysiert und sich darüber klar wird, wozu haben die Kolumbianer tatsächlich Nein gesagt. Es ist ja auch so, dass auf internationaler Ebene der Rückhalt für die Vereinbarung von Anfang an wesentlich größer war als im Land selbst. Einfach, weil es im Land selbst zu viele Bedenken gab. Die Kirche wird mit Sicherheit ihren Weg weitergehen und weiterhin am Thema Frieden, Friedenspädagogik, Versöhnung und Vergebung arbeiten. Da bin ich mir sicher. Die Reaktionen, die ich Sonntagnacht aus Kolumbien von den kirchlichen Partnern vor Ort bekommen habe, sind eindeutig: Wir werden weiter machen.
Frage: Viele Beobachter, gerade aus dem Ausland, haben ja von einem „historischen Abkommen“, einer „Zeitenwende“ in Kolumbien gesprochen. Denken Sie, dass der Stabilisierungsprozess der vergangenen Jahre jetzt gerade nach dem gescheiterten Referendum in Gefahr ist?
Perez: Ich hoffe, dass das jetzt nicht in Krieg und Chaos mündet. Ich will hoffen, dass in den vier Jahren klar geworden ist, dass das nicht der Weg sein kann. So will ich auch hoffen, dass FARC und Regierung weiterhin daran arbeiten. Das möchte ich auch noch mal betonen: auch mit internationaler Unterstützung! Es ist sicherlich eine Zeitenwende und historisch gesehen etwas sehr Wichtiges gewesen, dass man es geschafft hat, vier Jahre lang am Verhandlungstisch zu sitzen und letztlich auch ein Abkommen auszuhandeln. Das bleibt ja unbenommen. Dass jetzt einzelne Punkte dieses Abkommens noch nicht vom kolumbianischen Volk angenommen wurden, bedeutet, dass man nacharbeiten muss. Vorher haben die Regierung und auch die FARC gesagt, es wird nicht nachgearbeitet. Im Moment – nach den Reaktionen, die ich gehört habe – bin ich mir da nicht so sicher und will ich auch hoffen. Dahin gehend sollten auch Deutschland und die anderen Unterstützer-Länder hinarbeiten, dass wirklich so lange weiter verhandelt wird, bis man zu einem Abkommen kommt, das tatsächlich auch tragbar ist. Von außen gesehen ist es immer einfach zu sagen: Das ist es jetzt. Aber wenn man im Land selber lebt und die Verhältnisse kennt, dann hat man sicher andere Bauchschmerzen als ein Beobachter von außen.
Das Interview führte Pia Dyckmans.
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