100 Kirchen auf 760.000 Einwohner
Urban steht mit seiner Beschreibung nicht allein da. In der polnischen Literatur wurde die Weichselmetropole immer wieder in den höchsten Tönen gelobt und auch der Volksmund kennt viele Sprichworte, um den Glanz und die besondere Stellung der Weichselmetropole zu beschreiben. "Gäbe es nicht Rom, wäre Krakau Rom", lautet ein Sprichwort. Und Parallelen zur Ewigen Stadt lassen sich in der Tat finden. Etwa unzählig viel kunsthistorisch wertvolle Sakralarchitektur.
So stehen in Krakau mehr als 100 Gotteshäuser – auf 760.000 Einwohner. Und ähnlich wie am Tiber, gibt es an der Weichsel gleich ein halbes Dutzend Hügel um die Stadt, deren Herkunft nicht eindeutig geklärt ist. Die Geschichte Krakaus jedoch ist um Jahrhunderte jünger als die Roms. Zwar war der Wawelhügel schon in früherer Zeit besiedelt. Wirklich bedeutsam wurde die Stadt mit der Gründung des polnischen Staates erst Ende des 10. Jahrhunderts.
Gemein mit Rom hat Krakau auch dutzende, wenn auch unterschiedliche Legenden über seine Entstehung. Etwa über den Stammesfürsten Krak, der tapfer einen Drachen tötete und über der Drachenhöhle – dem heutigen Wawelberg – eine Stadt gründen ließ. Keine Legende dagegen ist, dass Krakau von 1038 an für 500 Jahre die Hauptstadt Polens war und in dieser Zeit sehr prosperierte.
„Einer der schönsten Orte Polens“
Hier wurde 1364 die nach Prag zweitälteste Universität nördlich der Alpen gegründet und zeitgleich der 200 mal 200 Meter große Marktplatz, der Rynek, angelegt. Mit 40.000 Quadratmeter einer der größten mittelalterlichen Plätze in Europa und „noch heute die Visitenkarte der Stadt“, wie Kunsthistoriker Urban sagt. „Alle Wege in der Altstadt führen zwangsläufig am Rynek vorbei.“
Auf dem Platz stehen auch die Marienkirche, von deren Turm die Hejnał-Melodie gespielt wird, und in der Mitte die alten Tuchhallen, eines der bekanntesten Renaissance-Architekturdenkmäler in Europa. Hier steht aber auch das Adam-Mickiewicz-Denkmal, das die Bedeutung der Stadt für die polnische Kultur und das künstlerische Schaffen – gerade auch in schwieriger Zeit – unterstreicht.
Denn während Polen im ausgehenden 18. Jahrhundert für über 100 Jahre von der Landkarte verschwand, bildete sich an der Weichsel eine Keimzelle der polnischen Kultur. Maler wie Stanislaw Wyspianski oder Jan Matejko haben hier gewirkt, ebenso wie die Dichter Czesław Miłosz oder Wisława Szymborska. Die kulturelle Atmosphäre hat sich in der Stadt bis heute gehalten und wirkt auf die Touristen magisch anziehend. „Dass jährlich mehr als zehn Millionen Besucher kommen, zeigt doch, dass es einer der schönsten Orte in Polen ist“, verdeutlicht Kunsthistoriker Urban.